Die Fälle Spring und sonabend und die Wiedergutmachungsklagen: Wenn Banken das Vaterland retten

Jüdische Flüchtlinge, die von Schweizer Beamten zu den Nazis zurückgejagt wurden, sollen künftig nicht mehr gegen die Schweiz klagen können. Dies sieht eine Vereinbarung vor, die von der Credit Suisse und der UBS in ihren Vergleich mit den New Yorker Sammelklägern («class-actions») und der World Jewish Restitution Organisation (WRJO) aufgenommen worden ist. Nach der Bezahlung der vereinbarten Summe von 1,25 Milliarden US-Dollar für die «Globallösung» beim Streit um nachrichtenlose Vermögen und Nazi-Raubgold sollen, neben den Ansprüchen beispielsweise von früheren ZwangsarbeiterInnen an die Schweizer Industrie, auch sämtliche Forderungen von ehemaligen Opfern des Nationalsozialismus an den Schweizer Staat definitiv abgegolten sein. Zwar hat sich der Bundesrat an den New Yorker Verhandlungen gar nicht beteiligt, und er wird auch keinen Beitrag an die Vergleichssumme zahlen, doch im Departement von Finanzminister Kaspar Villiger wird die von den Banken erstrittene Regelung bereits als neue Munition im Abwehrkampf gegen die 1942 und 1943 ausgeschafften jüdischen Flüchtlinge Charles Sonabend und Joseph Spring benützt, deren Wiedergutmachungsklagen beim Bundesgericht liegen. Dass die New Yorker Vereinbarung nebenher die Schweizer Gerichtsbarkeit verspottet und diese zu einem Wurmfortsatz jenes Brooklyner Bezirksgerichtes macht, vor welchem der Bankenvergleich ausgehandelt wurde, scheint angesichts der tagespolitischen Vorteile für das Finanzdepartement nicht so störend.
Auch der Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG), Chocolatier Rolf Bloch, hat die erst dieser Tage im Wortlaut bekannt gewordene Regelung in einem Interview mit der Genfer Zeitung «Le Temps» begrüsst. Wenn die Forderungen zurückgewiesener Flüchtlinge nun nicht mehr einfach auf kategorische Ablehnung stiessen – wie bisher beim Finanzdepartement –, so werde dies erlauben, im kommenden Herbst die Erkenntnisse der Unabhängigen Experten-Kommission Schweiz-Zweiter Weltkrieg (UEK) zur schweizerischen Flüchtlingspolitik mit «mehr Abgeklärtheit» zu diskutieren. Gegenüber der WoZ äussert sich Bloch allerdings weniger begeistert: Er habe gehofft, dass zumindest die «Stiftung solidarische Schweiz» für die abgewiesenen Flüchtlinge ein Zeichen setze. Da dies nun aber nicht der Fall sei, hoffe er halt noch auf die moralische Wirkung der UEK. Bloch sieht die New Yorker Vereinbarung als «vorsorgliche Massnahme» der Verhandlungspartner, falls Sonabend und Spring vor dem Bundesgericht verlieren sollten.
Anders Daniel Eckmann, Sprecher des Finanzdepartementes EFD: Man habe von der Vereinbarung erst durch die Medien erfahren, erklärte Eckmann gegenüber der WoZ, und darauf beim Bundesgericht sofort den Antrag gestellt, dass der für diesen Mittwoch festgesetzte Vorverhandlungstermin im Fall Sonabend abgesagt und das ganze Verfahren sistiert werde, bis Sonabend erklärt habe, ob er den New Yorker Vergleich akzeptieren wolle oder nicht. Das Bundesgericht hat den Antrag des EFD gutgeheissen. Seitens des EFD wurde dabei geltend gemacht, dass Sonabend bereits Teil einer Sammelklage sei: Wie sein Anwalt Marc R. Richter versichert, betrifft diese Klage Sonabends jedoch nicht seine Ausschaffung oder jene seiner Familie, sondern ein in der Schweiz verschollenes Konto. Vom Einbezug des Schweizer Staates in den Vergleich hat sich Sonabend schon im letzten August distanziert.
Auch im Fall Spring, sagte Eckmann zur WoZ, werde das EFD nun den Vergleich als Argument gegen den Kläger studieren und prüfen, ob eine Sistierung des Verfahrens nicht angebracht sei. Joseph Spring lebt zwar in Australien (Charles Sonabend in Britannien), und er hat weder mit den Schweizer Banken noch mit den US-amerikanischen Klägern irgendetwas zu tun: Am liebsten wäre es den Schweizer Behörden trotzdem, wenn er mit seinen Forderungen an den Bundesrat einfach nach Amerika verwiesen würde. Statt dass vor einem Schweizer Gericht über schweizerische Beihilfe zum Völkermord geredet würde, könnte dann wieder alles dem «Swiss bashing» einer überheblichen und scheinheiligen US-Gesellschaft angelastet werden.
Welchen Bruchteil der New Yorker Vergleichssumme die Flüchtlinge eigentlich erhalten sollten, werde ungefähr in einem halben Jahr bekannt, sagte ein Sprecher der UBS.