Jürg Marquard: Gelegentlich auch mal ein bisschen handfester

Nr. 48 –

Herrliberg ZH, 450 Millionen

«The Rebel Sell» heisst ein Buch, das belegen will, wie Rebellion immer wieder ausverkauft wird, wie Alternativbewegungen sich mit ihrer Kreativität dem Kapitalismus andienen und von ihm vereinnahmt werden. Die These dient auch ein wenig der Entpolitisierung der ursprünglichen sozialen Bewegungen, aber sie ist nicht ganz unrichtig.

Ein Beispiel für die Schweiz liefert Jürg Marquard (67). Mit zwanzig startete der Zahnarztsohn mit geliehenem Geld die Jugendzeitschrift «Pop». Ja, das war damals Gegenkultur. Die Beatles hatten ein Jahr zuvor die USA erobert, doch ihre Pilzfrisur galt hierzulande als provozierender Schmuddellook. Mit jugendlichen Sehnsüchten und Protest war Geld zu machen, und Marquard tat das mit Gespür und Elan. Er konnte sich gegen den braveren Marktführer «Bravo» behaupten und fuhr nach der Fusion mit einem Konkurrenten mit «Pop Rocky» lange Jahre Profite ein.

1981 lancierte Marquard die deutschsprachige Lizenzausgabe von «Cosmopolitan», der Zeitschrift für die gediegene (gutsituierte) Frau. Ja, das war irgendwann auch mal so was wie Gegenkultur: moderne, aufgeschlossene, sexuell befreite Frauen als neues Kundinnensegment (1998 wurde ja noch «Sex and the City» als Beitrag zur Emanzipation gefeiert). «Cosmopolitan» war als Lifestylemagazin von Beginn weg auch ein klassisches Beispiel der fliessenden Grenze zwischen redaktionellem Inhalt und Werbung.

Man kann Marquard eine gewisse Risikobereitschaft nicht absprechen. 1988, noch vor der Implosion des Ostblocks, stieg er in Ungarn und dann in Polen mit Jugendblättern ins Mediengeschäft ein. Einer seiner grössten Erfolge wurde die 1995 in Deutschland gegründete Zeitschrift «Joy», das «Magazin für Mode, Frisuren, Trends und Shopping». «Joy» existiert mittlerweile in Lizenzausgaben in neunzehn Ländern, seit neustem auch in Indonesien. Allein im deutschsprachigen Raum hält rund eine halbe Million Frauen mit Durchschnittsalter 27 Jahre «Joy» für unentbehrlich.

Im Mai 2012 hat Marquard allerdings seine drei Haupttitel, neben «Cosmo» und «Joy» die Fitnesszeitschrift «Shape», für über dreissig Millionen Franken verkauft. Er konzentriert sich nun auf PC-Zeitschriften sowie auf Internetportale, überwiegend für Frauen, sowie auf seine Aktivitäten in Ungarn und Polen.

Neben den Lifestylemagazinen darf es gelegentlich auch ein bisschen handfester sein. So vertreibt er in Ungarn und Polen den «Playboy» in Lizenz und mit «CKM» ein anderes sogenanntes Männermagazin.

Das sind seit längerem die beiden Pole von Marquards Verlegertätigkeit: Den Frauen bietet er die Rolle der Modeopfer an, und den Männern präsentiert er sie als Sexobjekt. Damit lässt sich gut leben.

Die Person, die nach eigenen Angaben auch «ein bisschen» nach dem Haushalt in Herrliberg schaut, meint gegenüber dem Together-Team: «Da können Sie nicht einfach so vorbeikommen, sein Terminkalender ist … rufen Sie im Büro an, dort hat man einen Überblick über die Agenda.»