Am Freitag hätte die Klimakonferenz zu Ende gehen sollen, und wenn auch keine Klimakonferenz der letzten Jahre pünktlich zu Ende ging, schien es hier dank der hervorragenden Konferenzleitung durch Frankreich lange möglich zu sein. Aber was nützt die beste Konferenzleitung, wenn die Parteien bocken? Am Donnerstag legte die Konferenzleitung um 21 Uhr den letzten Entwurf des Texts vor, die Parteien studierten ihn und trafen sich vor Mitternacht zur Sitzung, die bis weit in den Morgen dauerte. Nun sind für Freitag keine Verhandlungssitzungen angesagt; der fertige Vertragstext soll am Samstag erscheinen und ins Schlussplenum gelangen. Das heisst natürlich nicht, dass nichts gelaufen wäre. Die Konferenzpräsidentschaft spricht mit den Verhandlungsgruppen; es ist der Tag der intensiven bilateralen Gespräche, des Schmiedens und Erweiterns der Koalitionen. Man erfährt von all dem wenig – Präsident Obama habe mit Präsident Xi telefoniert, teilt beispielsweise das US-Aussenministerium mit; man habe die Zusammenarbeit für ein gutes Abkommen in Paris bekräftigt – das ist alles. Die High Ambition Coalition hat ihre Erweiterung durch mehrere Länder angekündigt, namentlich Brasilien (das bisher häufig mit den Bremsern China, Indien und Südafrika auftrat) und die Philippinen, die bis vor einem Jahr Mitglied der stets bremsenden Like-Minded Group waren. Die High Ambition Coalition wolle kein Abkommen akzeptieren, das lediglich den kleinsten gemeinsamen Nenner darstelle; das Langfristziel der Dekarbonisierung – das im letzten Textentwurf durch eine schwächere Formulierung ersetzt wurde – müsse wieder in den Text rein. Das Wichtigste zum Stand der Verhandlungen am Vertragstext: Das 1,5-Grad-Ziel soll im Vertrag drin stehen, allerdings in etwas abgeschwächter Form («well below 2 °C above preindustrial levels and pursuing efforts to limit the temperature increase to 1.5 °C»). Dafür fallen Langfristziele, die in früheren Entwürfen standen, raus; das Wort «Dekarbonisierung» steht nicht mehr im Text, statt dessen das schwächere «greenhouse gas emissions neutrality» (bei der die Hoffnung mitschwingt, man müsse die Emissionen nicht auf Null runterfahren, sondern könne sie durch irgendwelche noch zu entwickelnde Technologien wegzaubern), die «in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts» erreicht werden soll. Ganz kurz gesagt: Dass das 1,5-Grad-Ziel explizit anerkannt wird (wenn der Text nicht noch abgeschwächt wird), ist gut und wichtig und bemerkenswert; der Rest des Vertrags enthält aber nichts, was es zur Erreichung dieses Ziels brauchen würde. Das steht so ähnlich sogar in der Präambel des Vertrags drin:
Emphasizing with serious concern the urgent need to address the significant gap between the aggregate effect of Parties’ mitigation pledges global annual emissions of greenhouse gases by 2020 [and aggregate emission pathways] consistent with holding the increase in the global average temperature ...