Alessandra Cesari: Wie sieht es in der Gastro aus?
WOZ: Alessandra Cesari, wo stehen wir, gewerkschaftlich gesehen, im Schweizer Gastgewerbe?
Alessandra Cesari: Rein gewerkschaftlich sind wir schon an einem recht guten Punkt. Aber es gibt noch viel zu tun. Das Problem ist, dass viele Arbeitgeber:innen und Gäste immer noch nicht erkennen wollen, wie wichtig die Arbeit in der Gastro ist. Die Gäste wollen gut essen und trinken, die Chefs viel Geld verdienen. Aber die Leute, die das Ganze möglich machen, anständig honorieren? Lieber nicht. Viele Betriebe stellen daher Migrant:innen ohne hier anerkannte Abschlüsse ein, weil sie leichter auszubeuten sind.
WOZ: Wie erleben Sie das als Serviceangestellte?
Alessandra Cesari: Als Gastromitarbeiter:innen bringen wir zusätzlich zum reinen Handwerk viele soziale und psychologische Kompetenz ein. Trotzdem spüre ich immer wieder, wie abschätzig viele über unsere Arbeit denken. Für die schlechten Arbeitsbedingungen und das negative Image sind aber nicht wir, sondern die Arbeitgeber:innen verantwortlich. Nach acht Jahren ist Gastrosuisse endlich bereit, den Landesgesamtarbeitsvertrag (L-GAV) von 2017 neu zu verhandeln.
WOZ: Was sind Ihre Forderungen?
Zuallererst: die Erhöhung des Mindestlohns. Der jetzige Stand – 20,36 Franken pro Stunde für Personen, die keinen hier gültigen Abschluss haben, 3700 Franken pro Monat im Vollpensum – ist katastrophal. Weitere Punkte sind eine angemessene Berücksichtigung der Berufserfahrung und ausländischer Diplome; die Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf vierzig Stunden ohne Lohnreduktion; die Bezahlung aller geplanten Stunden; bessere Kontrollen – und, ganz wichtig: keine Arbeit auf Abruf.
WOZ: Wo liegt das Problem mit der Arbeit auf Abruf?
Alessandra Cesari: Schon beim bisherigen L-GAV müssten Arbeitgeber:innen jede Einsatzänderung mindestens zwei Wochen im Voraus mitteilen. In der Realität aber halten sie sich oft nicht daran. Viele Angestellte springen trotzdem kurzfristig ein – weil sie das Gesetz nicht kennen oder aus Angst, den Job zu verlieren.
Alessandra Cesari: Ein weiteres Problem bei Arbeit auf Abruf: Ohne die Garantie eines fixen Pensums – wenn du also mal fünfzehn, mal dreissig und dann wieder nur ein paar Stunden pro Monat arbeitest – hast du keine Sicherheit. Sodass du plötzlich Miete und Krankenkasse nicht mehr bezahlen kannst – und vielleicht gar Sozialhilfe benötigst. Darum: Schluss mit der Arbeit auf Abruf! Der Arbeitgeber muss das Pensum vertraglich definieren. Und wenn es mal nichts zu tun gibt, ich aber eingeplant bin, soll er das zahlen – so wie es bei fixen Pensen bereits Pflicht ist. Wobei viele Betriebe selbst das nicht einhalten. Auch deshalb braucht es bessere Kontrollen.
Alessandra Cesari (51) ist Mitglied der Arbeitsgruppe Gastro der Gewerkschaft Unia. Mehr zu den Forderungen: unia.ch.