Urs Dängeli: Wie arbeitet es sich bei den Reichen?
WOZ: Urs Dängeli, wo stehen wir gerade?
Urs Dängeli: Als mein Sohn Anton jung war, habe ich ihm gesagt: Im Leben musst du lernen, mit Menschen umzugehen, die nicht so sind wie du. Das müssen wir im Kleinen und im Grossen. Aber was soll ich meinem achtjährigen Enkel erzählen? Dass die Welt schlecht ist? Ich habe ihn an der Fasnacht als Cervelat verkleidet. Eine Wurst, die dem Grill davongekommen ist. Das sind wir doch alle ein bisschen.
WOZ: Sie führen mit Ihrem Sohn einen selbstverwalteten Malerbetrieb in Thalwil, haben vor einigen Jahren die Redaktionsräume der WOZ gestrichen und inserieren seither jede Woche in der Zeitung – so sind wir auch auf Sie gekommen.
Urs Dängeli: Das ist unsere einzige Werbung. Ich war nie ein «Businessman», sondern immer ein Handwerker. Aber wir überleben trotzdem im Thalwiler Gewerbe mit unserem Geschäft. Gewerbler sind Einzelkämpfer – mit dauernd rotem Kopf. Sie werden vertreten von einem Verband, der das Wasser auf seine eigene Mühle lenkt. So war ich nie, und das sind wir auch heute nicht. Anton und ich haben eine sehr einfache Betriebsstruktur, das macht uns frei. Und wir hatten es immer gut miteinander. Bei so einem Geschäft, wie wir es haben, geht es ja um die Existenz, es ist unser Lebensinhalt. Das kann auch Angst machen, deshalb musst du zueinander schauen, dich miteinander austauschen können. Du solltest kein Einzelkämpfer sein, nicht in der Arbeit, nicht im Leben. Dann bekommst du auch keinen roten Kopf.
«Wenn mich jemand fragt: Bist du reich?, sage ich: Nein, aber ich bin frei.»
WOZ: Sie arbeiten ausschliesslich mit Naturfarben. Warum?
Urs Dängeli: Jede Farbe besteht aus Pigmenten, Binde- und Lösemittel. Man kann natürliche nehmen, wie wir es machen, oder synthetische, die sind chemisch sehr viel komplizierter zusammengesetzt. Naturfarben verbrauchen in der Herstellung deshalb einen Bruchteil an fossilen Brennstoffen – keine zehn Prozent. Unsere Farben könntest du kompostieren, in unserer Werkstatt findest du ausser ein bisschen Nitroverdünner keine künstlichen Stoffe.
Urs Dängeli: Das Haus ist ein Baukörper, der mit der Umgebung interagiert, mit Feuchte, Kälte, Sonne, dem Wetter. Natürliche Öle beispielsweise quellen auf, wenn es nass ist, und sie ziehen sich wieder zusammen, wenn es trocken ist. Alles, was synthetisch ist, geht diese Beziehung nicht ein. Eine Dispersion aus synthetischen Stoffen kannst du nicht auffrischen, sie verstopft alle Poren, der Verputz wird mürbe, man muss ihn schneller wieder ersetzen. Mit Naturfarben verbraucht man also auf verschiedenen Ebenen sehr viel weniger Energie. In Thalwil sagt man: Der Dängeli ist der Biomaler. Aber es kommen auch sehr viele Leute, die das nicht suchen, die einfach wegen uns kommen und nicht, weil das, was wir machen, bio ist.
WOZ: Thalwil ist inzwischen mindestens so teuer wie die Goldküste. Sie streichen bei Menschen, die ein Vielfaches verdienen und besitzen. Wie ist das?
Urs Dängeli: Für unsere 250 000 Franken Umsatz im Jahr sehen wir schon eine ganze Welt. Und natürlich haben wir viel mit Menschen Kontakt, die sonst nichts mit körperlichem oder materiellem Arbeiten zu tun haben. Aber das sind unsere Kunden, das sind auch Beziehungen. Max Frisch sagte: Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen. Das ist vielleicht ähnlich: Man ruft einen Handwerker, und es kommt ein Mensch – der Dängeli. Wir müssen uns nicht verstecken, und wir biedern uns auch nicht an. Wir führen ja unser Leben, nicht das der anderen. Und wir sind nicht von Neid getrieben. Wenn mich jemand fragt: Bist du reich?, sage ich: Nein, aber ich bin frei.
Urs Dängeli: Aber in der Gesellschaft vermisse ich manchmal das Bewusstsein dafür, was Geld ist, wie sich ein Wert zusammensetzt. Das kann ich jeden fragen, der mehr verdient als ich: Weisst du eigentlich, wie dein Lohn zustande kommt?
Urs Dängeli führt mit seinem Sohn Anton den Malerbetrieb Dängeli und Partner in Thalwil.