40 Texte aus 40 Jahren: 1995: Fragen Sie Luigi Monster
Gestern veranstalteten wir in der Fraktion ein Brainstorming über die Zukunftsperspektiven der Linken: Niemandem fiel etwas ein. P. B.
Sehr geehrter Herr Bodenmann
Nach über hundert Jahren bürgerlicher Dominanz klebt an der SPS eine Looser-Mentalität, die sich negativ auf alle Wahlresultate auswirkt. Deshalb schlage ich eine Radikalerneuerung vor. Als Schlager für die Wahlen 95 wird die «Millionärssteuer» gehandelt – ein chancenloser Unfug. Allein die Umsätze der Lottoindustrie beweisen, dass das Volk sich in seiner überwiegenden Mehrheit als potentielle Millionäre betrachtet. Millionäre brüskieren heisst das Volk brüskieren. Dabei könnte die Propaganda der SPS gegen Kartelle, Banken, Multis durchaus Erfolg haben. Das beweist der Triumph der interessantesten linken Bewegung der Gegenwart, die 1994 mit geharnischter Kritik an Justiz, Polit- und Wirtschaftsfilz erdrutschartige Triumphe feierte – ich meine den European Kings Club. Der EKC löste sich vom klassischen linken Nörgel-Image und bot nicht nur Bankenkritik, sondern auch positive Gegenentwürfe: auf jeden Franken siebzig Prozent Zinsen. In diese Marktlücke sollte die SPS springen: Schluss mit Banken und Arbeitgebern, die mickrige zwei bis fünf Prozent bieten! Wählt SPS mit neunzig Prozent Rendite: beim Kauf der August-Bebel-Letters (1000 Franken), der Helmut-Hubacher-Scheine (2000 Franken), der Jean-Ziegler-Papiere (fünf Franken, für Kinder).
Kapitalismus lässt sich nur durch Kapitalismus besiegen. Die Rosa Luxemburg der neunziger Jahre heisst Damara Bertges.
Dieser Text ist ursprünglich in der WOZ Nr. 11 vom 17. März 1995 erschienen. Aus Anlass des 40-Jahr-Jubiläums der Wochenzeitung WOZ haben wir unser Archiv nach Perlen durchsucht, die wir erneut veröffentlichen, und das Tag für Tag bis hin zur Jubiläumsausgabe, die am 30. September 2021 erscheint.