Demokratie bei der Migros: Weshalb es geht

Die Migros hat einzigartige demokratische Strukturen – die nur darauf warten, dass die KonsumentInnen sie endlich wieder ernst nehmen.

Die Migros ist organisiert wie die Schweiz: als direkte Demokratie mit Wahlen, Abstimmungen und einem Parlament. Gottlieb Duttweiler wollte dies so, als er seine Aktiengesellschaft vor über sechzig Jahren in eine Genossenschaft verwandelte und den KonsumentInnen schenkte. Diese einmaligen demokratischen Strukturen sind immer noch da, drohen aber zu verfallen, wenn die Migros-BesitzerInnen sich nicht darum kümmern.

Und so sieht die Demokratie der Migros aus:

Der Souverän: Das Volk – das sind im Falle der Migros die GenossenschafterInnen. Ihnen gehört der Grossbetrieb, deshalb sollen sie ihn auch regieren. Alle können Mitbesitzende werden, auch AusländerInnen. Sie müssen lediglich «ihren Wohnsitz im Wirtschaftsgebiet der Genossenschaft oder in dem daran angrenzenden ausländischen Gebiet» haben, wie es in den Statuten heisst. Mitglied werden kostet nichts, man muss nur ein Formular ausfüllen, das man in jeder Migros bekommt. Danach erhält man sofort gratis einmal die Woche den «Brückenbauer» (Nachtrag: Die Zeitung wurde später in «Migros-Magazin» umbenannt – in der Folge geht es in diesem Text also um dieses, wenn der «Bürckenbauer» genannt wird.)

Die Kantone: Im Migrosland sind das die regionalen Genossenschaften: vier in der Westschweiz, eine im Tessin, fünf in der Deutschschweiz. Die grossen Genossenschaften wie Aare, Zürich oder Ostschweiz haben um die 300000 Mitglieder. Sie wählen ein Kantonsparlament (den Genossenschaftsrat), das die Regierung (die Geschäftsleitung) bestellt. Alle vier Jahre muss ein Drittel der Genossenschaftsräte ausgewechselt werden, das hat Duttweiler so bestimmt. Er hat auch festgeschrieben, dass die Frauen in den Genossenschaftsräten die Mehrheit haben müssen. Das gilt bis heute.

Der Bund: In der Schweiz vertritt der Bund die gemeinsamen Interessen der Kantone. In der Migros ist der Migros-Genossenschafts-Bund (MGB) das gemeinsame Dach der zehn Genossenschaften. Der MGB gehört ihnen und nicht umgekehrt. Das ist ungewöhnlich: Normalerweise besitzt die Zentrale die regionalen Ableger. Aber nicht bei der Migros – da wird von unten nach oben regiert.

Das Bundeshaus: In der Schweiz wählt das Volk seine National- und Ständeräte direkt. In der Migros entsenden die Genossenschaftsräte Abgeordnete in die Delegiertenversammlung (DV) des MGB. Grosse Genossenschaften stellen mehr Delegierte als kleine. So hat die Genossenschaft Zürich dreizehn, die Genossenschaft Wallis jedoch nur sieben Delegierte. Die DV segnet wichtige Entscheide des MGB ab und wählt die Mitglieder der MGB-Verwaltung und deren Präsidenten, also den Bundesrat im Migrosland. Natürlich kann die Delegiertenversammlung die Verwaltung auch abberufen. Das heisst: den CEO und seine Kaderleute entlassen.

Wahlen, heimliche: Die nächsten Genossenschaftsratswahlen finden am 4. Juni 2004 statt. Wählen dürfen alle Migrosmitglieder. Als Genossenschaftsrat oder -rätin kann kandidieren, wer mindestens ein Jahr Mitglied ist. In den letzten Jahren verliefen die Wahlen ruhig und heimlich, weil die Genossenschaftsräte als selbstkonstituierende Gremien agieren. Ein Jahr vor den Wahlen wird jeweils im «Brückenbauer» ein Aufruf erlassen, Interessierte sollten sich melden. Ein Ausschuss amtierender GenossenschaftsrätInnen geht zu den KandidatInnen nach Hause, interviewt sie und wählt passende Personen aus. Welches Profil diese Personen haben müssen, ist nirgends definiert. Der bestehende Genossenschaftsrat stellt eine einzige Liste zusammen und besetzt die frei werdenden Plätze nach eigenem Gutdünken. Man bemühe sich, nur eine Liste zusammenzustellen, meinte ein Ratsmitglied, das nicht namentlich zitiert werden wollte, gegenüber der WOZ. Die Begründung: Mehrere Listen würden die GenossenschafterInnen überfordern.

Der entscheidende Punkt: Gibt es nur eine Liste, kommt es zur stillen Wahl – der Wahlkampf fällt dahin, die GenossenschafterInnen können nicht entscheiden, von wem sie sich vertreten lassen möchten.

Wahlen, richtige: Die Migros-Demokratie lässt sich ganz einfach wieder beleben. Man kann nämlich autonome Listen zusammenstellen. In den grossen Genossenschaften braucht es dafür sechzig KandidatInnen, in den kleinen entsprechend weniger. Und nun der Knackpunkt: Damit die Liste gültig ist, braucht es die Unterschriften von einem Prozent der GenossenschafterInnen. In Zürich oder St. Gallen also je 3000 Unterschriften. Zusätzlich müssen die Unterschreibenden ihre Mitgliednummer angeben. Die Nummer findet man auf dem Mitgliederausweis oder auf dem «Brückenbauer», rechts neben der Adresse. Um alles andere kümmert sich Sorgim. Auf www.sorgim.ch steht die Infrastruktur bereit, um die Listen schnell zusammenzubringen. Die Zeit drängt: Bis am 27. März müssen die KandidatInnenlisten und die Unterschriften bei der Migros eingereicht sein.

Was Sie tun müssen

Falls Sie noch nicht Mitglied der Migros sind: Werden Sie es! Beitrittsformulare finden Sie in jeder Filiale.

Falls Sie oder IhrE EhepartnerIn seit mindestens einem Jahr Mitglied sind: Kandidieren Sie für den Genossenschaftsrat! Tragen Sie sich auf der Homepage von sorgim.ch als KandidatIn ein.

Helfen Sie mit, die nötigen Unterschriften zu sammeln! Die Koordination läuft über sorgim.ch.

Finden Sie Ihre Mitgliednummer heraus! Um kandidieren oder unterschreiben zu können, müssen Sie ihre Mitgliednummer kennen. Sie finden Sie auf dem «Brückenbauer» beim Adressaufdruck.