M-Budget 1: Pampe auf Kompott
Die Billiglinie M-Budget der Migros macht Freude beim Einkaufen. Und auch beim Verbrauch. Nur beim Kochen verzichtet man besser auf die Ratschläge des Grossverteilers.
Ich hasse Einkaufen. Grossverteiler sind mir ein Graus. Ich stehe dort stundenlang staunend vor den wunderbar exotischen Teesorten, den duftenden Kaffeeröstmischungen und der Schokolade. Sobald ich merke, dass ich daheim ohnehin schon alles habe, schnapp ich mir ein Glas Nutella, spring zum Kühlregal, lade den Korb randvoll mit Milch und renne raus aus der Hölle. Ich mag nicht nachdenken, mag nicht überlegen, was zusammenpassen würde. Kaufe ich Mozzarella, vergesse ich die Tomaten. Schweben mir Spaghetti Carbonara vor, liegt der Speck nie an meinem Weg. Entscheid ich mich für Chäs und Brot, verlustier ich mich zwanzig Minuten an der Käsetheke. An das Brot denke ich nie.
Problemlos einkaufen ...
Aber die Migros kennt mich und mein Problem. Die Migros hat M-Budget erfunden. Ich muss nur noch den grün-weissen Schildchen folgen und meinen Wagen füllen. Einkaufen – Fun! Schon lange lieben wir den Brie, das billige Foto- und das Klopapier, die Velovignette im Familienpack. Und gerade jetzt werden wieder neue Kreationen auf den hungrigen Markt geworfen. Die Babyfeuchttücher beispielsweise. Die brauche ich unbedingt. Oder den Taschenrechner! Zu meiner abgrundtiefen Enttäuschung ist er allerdings – einmal aus der Schachtel geklaubt – grau und technisch statt grün und billig. Ich gebe es zu, ich bin anfällig für Marketingstrategien. Der Einheitslook im Körbchen erfreut das Auge, alles will ausprobiert sein. Nur den löslichen Kaffee muss ich mir nicht antun. Jene Verpackung darf weiterhin ein teures Design haben.
Es sieht so aus, als ob ich in Kürze meinen ganzen Haushalt komplett mit M-Budget ausrüsten werde. M-Budget essen, M-Budget tragen, mich mit M-Budget pflegen, kurz: M-Budget leben. M-Budget passt zu mir. Es gibt sogar ein M-Budget-Kochbuch. «Cool & Simple» – ganz wie ich. «Ein amüsanter und kooperativer Begleiter für einsame und kommunikative Stunden», schreibt Autor Eugen Rieser. Fünfzig Gerichte, jeweils mit Einkaufszettel und Preisangabe. Die Zutaten für das billigste, gebrannte Creme, bekommt man für 70 Rappen, die für das teuerste, ein gefülltes Poulet, kosten 10.50 Franken.
Doch halt, man soll von Anfang an alle Tricks und Bedingungen kennen. Etwa die Zutaten. Lebensmittel von M-Budget: Fleisch und Gemüse tiefgekühlt, Früchte und Gemüse aus der Dose. Gesund wird es also nicht, dafür muss man die Zutaten nicht im Stress noch frisch zusammenkaufen. Aber Vorsicht! Wie in jedem Kochbuch, das ich bisher in die Finger bekommen hab, steht auch hier der schöne Satz: «Frische Gemüse und Gewürze sind in den meisten Haushalten vorrätig.» Der gute Mann war nie an meinem Kühlschrank. Milch und Nutella sind immer vorrätig. Kaffee und Tee. Tütensuppen. Aber bestimmt, ganz bestimmt kein frisches Gemüse. Doch Eugen Rieser erlöst mich sogleich. Die frischen Zutaten würden zur Dekoration verwendet. Ach, auf Frisches pfeif ich.
... und kochen
Auf Frisches pfeift auch der Fotograf. «Es wendet sich offensichtlich an Leute, die von Ästhetik angewidert sind», meinte ein Feinschmecker beim Durchblättern. Vergessen wir drum die verschiedenen kalten Plättli, liebevoll mit Mayonnaisegütschlis, Ketchupspritzerlis, Spargelphalli und Cherry-Tomaten-Hälftchen dekoriert. Es ist ja auch M-Budget, niemand erwartet das Mitwirken von Food-StylistInnen an diesem Buch.
In erwartungsvoller Vorfreude geht es ans Kochen. Die Rezepte wähl ich nach ihrem Aussehen aus. Denn obwohl ein Gericht mit dem Titel «Salasina» Genuss verspricht, wegen Lachspflotschete auf Hörnliberg wird mein Mund nicht wässrig. Für Gemüse konnte ich mich – wie gesagt – noch nie begeistern, und das aus der Büchse hat erst recht keine Chance. Wieder sind es viele Gerichte weniger. Bleiben die «Spagölä», Spaghetti mit Käse und Birnen à la Gölä. Franken 2.50 pro Person. Danach gibt es selbstverständlich ein Dessert. Keine Frage, es müssen «Backgirls» sein: Flan Caramel für 40 Rappen, umgestürzt, mit Ananasschnitzli und Guetsli dekoriert. Ohne Rezept wär ich verloren.
Natürlich ist das Ganze in Wirklichkeit viel teurer, weil es M-Budget-Birnenhälftendosen nur in Grösse Ziegelstein gibt. Das wird noch für wochenlange «Spagölä»-Reste-Orgien reichen. Nun geht es ans unterstützte Kochen. Was gibts da zu sagen? Zwiebeln schneiden, Käse schmelzen und Pasta kochen? Selbst ich kann das. Drum blättere ich lieber im Kochbuch. Auf der Suche nach Geheimtipps. Und schon beim ersten Rezept wird man fündig. Kaltschale, Cold Soup: «Die Tomaten und die Früchte aus der Büchse mit zwei Esslöffeln Büchsenflüssigkeit ...» Mein Gott. Büchsenflüssigkeit. Vielleicht schmecken die «Spagölä» nur deshalb so mies, weil der Appetit ohnehin schon verdorben ist. Vielleicht ist es aber wirklich das Rezept. Spaghetti an Cantadou-artigem Frischkäse können nicht munden. Auch wenn der Frischkäse noch so fantasievoll mit Brie vermischt und geschmolzen wird. Mir ist jedenfalls schlecht. Ob nun Martini, Champagner, Grappa oder Frischkäse schuld daran sind, ist schlussendlich auch egal.
Trotzdem: Ich liebe M-Budget immer noch. Ich liebe die Milch, ich liebe die Feuchttüchlein, ich liebe die Zahnpasta, ich liebe das WC-Papier. Aber was essbare Zusammenstellungen betrifft, bleib ich glaub doch bei meinem altgedienten Trick. Eine halbe Stunde vor dem Empfang meiner Gäste schleich ich mich zu meinem kochenden Vorbild. Frage mit harmlosem, aber begeistertem Augenaufschlag: «Papeli, wie macht man schon wieder deinen feinen Risotto al limone?» Und der hilfsbereite Erzeuger drückt mir «den einzig richtigen Reis», «den besten Parmesan», «hast du noch eine Zwiebel?» und reife, sonnengelbe Zitronen aus dem Bioladen in die Hände. Vielleicht nicht so grün-weiss wie im M-Budget-Leben, dafür schmeckts.