Folge dem Geld: Pilatus drauf, Bührle drin

Nr. 37 –

Im «War on Terror», der seit zwanzig Jahren im Gang ist, gibt es viele VerliererInnen und unbestritten eine grosse Gewinnerin: die Rüstungs- und Sicherheitsindustrie. Dazu gehören in der Schweiz die Pilatus-Flugzeugwerke in Stans. Sie lieferten Flugzeuge vom Typ PC-12 in die USA, wo diese militärisch aufgerüstet wurden. Achtzehn von ihnen kamen als Aufklärungsflieger in Afghanistan auch bei Angriffen zum Einsatz. Wie die WOZ letzte Woche publik gemacht hat, fiel nach dem Abzug der US-Truppen mindestens eines der Flugzeuge den Taliban in die Hände. Weil die PC-12 erst in den USA aufgerüstet wurden, erfolgte der Export unter dem Radar der hiesigen Ausfuhrkontrollen. Pilatus brauchte dafür keine Bewilligung. So weit, so bedenklich.

Wer aber profitierte konkret von diesem Geschäft? Zur Klärung dieser Frage lohnt es sich wie immer, der Spur des Geldes zu folgen. Sie führt an einen überraschenden Ort.

Bei den Pilatus-Flugzeugwerken, die für ihre Sonderwünsche stets ein offenes Ohr in Bundesbern finden, erhält man bisweilen den Eindruck, es handle sich um einen staatsnahen Betrieb. Oder um ein Heiligtum des Kantons Nidwalden, geht doch bei jeder möglichen Einschränkung der Rüstungsexporte das Wehklagen über Arbeitsplatzverluste in der Innerschweiz los. Dabei geht gerne vergessen, wer Pilatus kurz nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs am 16. Dezember 1939 gegründet hat: der Rüstungsindustrielle Emil Georg Bührle zusammen mit Antoine Gazda, Erfinder und Verkaufschef von Bührles Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon.

Heute gehört die Pilatus zwei Hauptaktionären, die sich die Aktien je etwa zur Hälfte teilen: der Beteiligungsgesellschaft Ihag Holding sowie Dominik Burkart, der seine Anteile von seinem Vater geerbt hat, einem CS-Banker. Dass Pilatus für die AktionärInnen ein lukratives Geschäft ist, zeigt der Blick in die Jahresberichte der Firma. Das Betriebsergebnis ist seit Jahren steigend, 2020 betrug es 155 Millionen Franken.

Wer nun aber verbirgt sich hinter dem Namen Ihag Holding? Der Pilatus-Hauptaktionär ist für die Kontinuität auf dem Waffenplatz Schweiz besonders interessant. Die Ihag gehört nämlich vollumfänglich den ErbInnen von Emil Georg Bührle, den Familien Bührle und Anda. «Investments in tomorrow» lautet das Motto der ErbInnen, die Beteiligung an Pilatus ist ihnen offensichtlich ein persönliches Anliegen: Gratian Anda, der Enkel von Emil Georg Bührle, ist bis heute im Verwaltungsrat der Pilatus als Vizepräsident tätig.

Die Ihag Holding will sich auf Anfrage nicht zu den Beteiligungen äussern. Gratian Anda wiederum gilt als öffentlichkeitsscheu, gibt keine Interviews. Klar ist dennoch: Die Gewinne aus dem Verkauf von Flugzeugen, die im «War on Terror» an tödlichen Angriffen beteiligt waren und sich nun auch in den Händen der Taliban befinden, landen über die Pilatus und die Ihag letztlich auch bei den Bührle-ErbInnen. Wo Pilatus draufsteht, steckt Bührle drin.

Damit ist die Spur des Geldes aber noch nicht zu Ende. Bekanntlich wird am 9. Oktober der Erweiterungsbau des Kunsthauses Zürich eröffnet. Dieser wurde speziell für die Kunstsammlung von Emil Georg Bührle errichtet, die der Waffenproduzent mit Gewinnen aus der Lieferung von Flugabwehrkanonen an das NS-Regime aufbaute. Auf der goldenen Tafel der DonatorInnen des Erweiterungsbaus, der über 200 Millionen Franken kostete und zu einem grossen Teil von der Öffentlichkeit getragen wird, wird gross auch eine Inschrift prangen: Familien Bührle und Anda. Das Kunsthaus bestätigt der WOZ, dass deren Unterstützungsbeitrag an den Bau einen einstelligen Millionenbetrag umfasst.

In Bührles Sammlung stecken bis heute die Kriegsgewinne aus dem Zweiten Weltkrieg. Konsequent zu Ende gedacht, fliessen über das Mäzenatentum der Bührle-ErbInnen auch Gewinne aus dem «War on Terror» in den Erweiterungsbau. Stadt und Kanton Zürich, Kunsthaus und Bührle-Stiftung haben sich zwar alle Mühe gegeben, die belastete Geschichte der Sammlung möglichst zu neutralisieren. Bloss zeigt das Beispiel der PC-12-Flugzeuge: Bührle ist nicht Geschichte, sondern Gegenwart.