Kommentar: Unverbesserlich in die nächste Runde
Nach der Rückversicherung die Vermögensverwaltung – und das Risikomanagement. Philipp Hildebrand, Vizepräsident des US-Vermögensverwalters Blackrock, ist der einzige Kandidat für das seit einem halben Jahr nur interimistisch besetzte Präsidium des Kunsthauses Zürich. Zuvor war das Ehrenamt jahrzehntelang in den Händen von Vertreter:innen des Rückversicherers Swiss Re gewesen: Thomas Bechtler, Walter Kielholz, Anne Keller Dubach.
Seit letztem Herbst geht das Kunsthaus durch einen beispiellosen, komplett selbstverschuldeten Sturm: Der unbedarfte Einzug der Kunstsammlung des Waffenhändlers Bührle in den neuen Erweiterungsbau sorgte für internationale Negativschlagzeilen, für politische Vorstösse – und für einen neuen Leihvertrag. Trotzdem konnten sich weder Kunsthaus noch Kunstgesellschaft je durchringen, glaubhaft Fehler einzugestehen und einen Neuanfang zu wagen. An den mächtigen Konturen des einstigen Nationalbankchefs Philipp Hildebrand lässt sich nun ablesen, wie gross die Krise für sie offenbar wirklich ist. Hildebrand wurde schon als UBS- und CS-Chef gehandelt und als Generalsekretär der OECD.
Doch womöglich zeichnet sich hier auch bereits das nächste Problem ab. Hildebrand trat 2012 als Nationalbankchef zurück, weil er nicht beweisen konnte, dass er keinen Insiderhandel betrieben hatte. Dann heuerte er bei Blackrock an, dem weltweit grössten Finanzinvestor. Im Interview mit der «Handelszeitung» klingt Hildebrand heute fast wie sein einstiger Widersacher Christoph Blocher. Die Schweizer Neutralität sei im Krieg gegen die Ukraine «sehr rasch unterminiert» worden. «Ich frage mich auch, was das für den Finanzplatz bedeutet, wenn wir plötzlich (sic!) nicht mehr als neutraler Standort gesehen werden.» Ob er auch im Familieninteresse spricht? Seine Partnerin ist Margarita Louis-Dreyfus. Der gebürtigen Russin gehört der Rohstoffkonzern Louis Dreyfus, die «Bilanz» führt sie und ihre Söhne 2021 mit einem Vermögen von mindestens 2,5 Milliarden Franken.
Zur Kunsthauskandidatur wolle Hildebrand sich nicht äussern, war in den Tamedia-Zeitungen zu lesen. Überhaupt gehts bei der Kunstgesellschaft zu wie eh und je: dürftige Informationen, keine Gegenkandidat:innen. Und dies obwohl das Kunsthaus ohne öffentliche Millionen nicht überleben könnte. Für die Sponsorensuche ist der Kunsthauspräsident zuständig. Nach dem Bührle-Debakel ist die Frage, woher diese privaten Gelder kommen, mit denen sich das Kunsthaus ausstattet, noch viel virulenter.