Bührle-Komplex I: Missglückter Einzug

Nr. 46 –

Seit der Eröffnung des Kunsthaus-Erweiterungsbaus vergeht keine Woche ohne neue Zuspitzung. Die jüngste Pointe geht aufs Konto des Direktors der Bührle-Stiftung. Im Interview mit dem «SonntagsBlick» droht Lukas Gloor verhohlen mit dem Abzug der Sammlung: «Wenn jetzt die Stadt Zürich dem Kunsthaus diktiert, wie die Sammlung Emil Bührle dem Publikum zu erklären ist, können wir nicht mehr mitmachen.» Übersetzt heisst das: Wenn die Stiftung die Deutungshoheit über die historischen Erwerbsumstände der Bilder verliert, will sie sich zurückziehen. Was hat man zu verbergen?

Gloors Drohung ist umso dreister, weil für diese Bilder ein massgeblich mit öffentlichen Geldern finanzierter Palast am Heimplatz gebaut wurde (vgl. «Der Zollbetrüger» ). Für einen Abzug der Kunstwerke aus Zürich müsste die Bührle-Stiftung allerdings zuerst ihre Statuten ändern.

Weniger Aufsehen erregte eine andere Aussage Gloors: Es dürfe nicht sein, dass die Sammlung «zu einer Gedenkstätte für NS-Verfolgung» werde. Dieser Satz ist auch deshalb ungeheuerlich, weil es die Sammlung ohne den Zweiten Weltkrieg und die NS-Verfolgung schlicht nicht gäbe, wie Erich Keller in seinem Buch «Das kontaminierte Museum» präzise darlegt.

Ende Jahr tritt Gloor ab. Weiterhin im Amt bleibt Kunsthausdirektor Christoph Becker. 2022 will er seine Nachfolgerin Ann Demeester einarbeiten – und sich langsam zurückziehen. Auch das Kunsthauspräsidium ist nur ad interim besetzt, nachdem die neu gewählte Präsidentin Anne Keller Dubach im September plötzlich verstarb. Eine prekäre Führungssituation in einer akuten Krisenzeit.

Als einer der Hauptverantwortlichen für den komplett missglückten Einzug der Bührle-Bilder ins Kunsthaus würde Becker besser sofort den Hut nehmen. Die Politik wiederum muss den Druck erhöhen, damit der Vertrag zwischen dem staatlich subventionierten Kunsthaus und der Bührle-Stiftung offengelegt wird. Zu klären sind etwa Fragen wie diese: Warum wanderten die Bilder nur als Leihgabe und nicht als Schenkung ins Kunsthaus? Und welche weiteren Bedingungen liess man sich diktieren?