Bührle-Streit: «Vertrauen verspielt»

Nr. 35 –

Zürcher PolitikerInnen sind empört über Beschönigungen im Forschungsbericht zu Waffenhändler Emil Georg Bührle.

Die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch und Regierungsrätin Jacqueline Fehr übten sich letzte Woche im Distanzhalten. Tunlichst nichts wollten sie mit Beschönigungen in einer Studie zu Naziwaffenproduzent und Kunsthändler Emil Georg Bührle zu tun haben. Die Verantwortung liege einzig und allein bei der Universität, meinte Mauch: «Wir erwarten, dass sie einen Schlussbericht vorlegt, für dessen Wissenschaftlichkeit sie mit Überzeugung einstehen kann.»

Regierungsrätin Fehr machte es sich noch einfacher: Der Kanton sei nur am Rand beteiligt. Dabei zahlt er dreissig Millionen Franken an den Erweiterungsbau, in dem die Sammlung Bührle künftig gezeigt wird. Gemeinsam mit der Stadt ist er Auftraggeber der in die Kritik geratenen Studie zur Entstehung der Sammlung. Der Forschungsauftrag ging an Matthieu Leimgruber von der Uni Zürich.

Wie die WOZ publik machte, betreffen die Beschönigungen unter anderem eine antisemitische Äusserung Bührles, seine Mitgliedschaft in einem rechtsextremen Freikorps sowie Profite aus Zwangsarbeit. Lukas Gloor, Direktor der Bührle-Stiftung, sowie Peter Haerle, Kulturdirektor der Stadt Zürich, brachten die Änderungswünsche ein. Beide sitzen mit Mauch und Fehr im Steuerungsausschuss des Projekts. Historiker Leimgruber übernahm das meiste. Den Vorwurf der unerlaubten Einmischung weisen die Beteiligten zurück. Leimgrubers Mitarbeiter Erich Keller sieht hingegen die Wissenschaftsfreiheit verletzt und zog seine Autorschaft am Bericht zurück (siehe WOZ Nr. 34/2020 ).

Der Bock als Gärtner

Zürcher ParlamentarierInnen kritisieren nun die politisch Verantwortlichen scharf. In einer Fraktionserklärung im Gemeinderat bezeichnen die Grünen die Einflussnahme als «politisch absolut inakzeptabel». Dafür gebe es nur zwei mögliche Erklärungen: Entweder habe Mauch das Parlament schlicht und einfach angelogen, als sie als Antwort auf kritische Vorstösse zur Bührle-Sammlung die Unabhängigkeit der Aufarbeitung betonte. «Oder dann ist es ihr nicht gelungen, ihre Gspänli in diesem Steuerungsausschuss aus der wissenschaftlichen Korrekturarbeit herauszuhalten.»

Bei der künftigen Vermittlung der Sammlung Bührle im Kunsthaus dürften sich solche Fehler nicht wiederholen, fordert Gemeinderat Markus Knauss. Für die BesucherInnen des Neubaus müsse die problematische Geschichte der Sammlung ständig präsent sein. Bisher soll die Vermittlung der Geschichte dem Kunsthaus überlassen werden, das mit zwei Vertretern im Steuerungsausschuss ebenfalls eine Mitverantwortung an den Beschönigungen der Studie trägt. «Da wird erneut der Bock zum Gärtner gemacht», sagt Knauss. Die Vermittlung müsse unabhängig geschehen.

Haerles Abgang

Kritik an ihren SP-Parteikolleginnen äussert auch Gemeinderätin Christine Seidler, die wiederholt Anfragen zur Bührle-Sammlung eingereicht hat: «Nach all den Absichtserklärungen zur Unabhängigkeit der Forschung bin ich umso enttäuschter. Stadt- und Regierungsrat haben das Vertrauen verspielt, Transparenz zu schaffen. Das schadet der Reputation von ganz Zürich.» Seidler will im Gemeinderat Nachfragen zur Einflussnahme stellen. Einer der Hauptverantwortlichen wird sich der Kritik kaum mehr stellen müssen: Kulturdirektor Peter Haerle trat letzte Woche von seinem Posten zurück. Wie die Stadt offiziell mitteilt, fiel der Entscheid schon vor dem Bührle-Streit.

Ob und wann die kritisierte Studie veröffentlicht wird, ist noch offen. Im Auftrag der Universität beurteilen derzeit die HistorikerInnen Jakob Tanner und Esther Tisa Francini die Einflussnahme. «Der weitere Zeitplan hängt vom Resultat dieses Gutachtens ab», heisst es bei der Stadt.