Weltsozialforum Porto Alegre: Mehr Vernetzung, weniger Show
Zum Weltsozialforum in Porto Alegre werden 100000 TeilnehmerInnen erwartet.
Das Weltsozialforum (WSF) steht an einem «Scheideweg», sagt Emílio Taddei fast beschwörend. Der Wissenschaftler vom linken Thinktank Clacso in Buenos Aires fordert, das Treffen der Bewegungen müsse endlich zu einer Instanz werden. Es habe Alternativen zum derzeitigen «hegemonialen Politikmodell» aufzuzeigen und zu helfen, diese auch durchzusetzen. Andernfalls müsse die WeltbürgerInnenbewegung einen «hohen Preis» zahlen.
Solche Erwartungen überfrachten das Forum, sind sich die brasilianischen OrganisatorInnen über sämtliche politische Differenzen hinweg einig. «Das WSF bleibt ein Raum für Intellektuelle, nichtstaatliche Organisationen und soziale Bewegungen, aber auch nicht mehr», sagt João Pedro Stedile, der Kopf der Landlosenbewegung MST. «Wir versuchen hier mit unseren Partnern, den Zeitplan für dieMobilisierungen auf internationaler Ebene festzulegen.»
Am 26. Januar 2005 wird das fünfte Weltsozialforum offiziell eingeläutet. Schon zum vierten Mal werden zehntausende AktivistInnen, aber auch immer mehr TrittbrettfahrerInnen aus dem Establishment in den südbrasilianischen Hochsommer nach Porto Alegre strömen. Die Grenzen sind fliessend. Das Know-how tausender MitarbeiterInnen nichtstaatlicher Organisationen (NGOs) und die überwiegend aus brasilianischen Steuergeldern erfolgte Finanzierung waren schon früher unverzichtbar. Waren letztes Jahr im indischen Bombay erstmals die asiatischen Bewegungen stark vertreten, so reist diesmal das Gros der TeilnehmerInnen wieder aus Lateinamerika und Westeuropa an. Dabei hat sich die Gesamtzahl ständig erhöht: 2001 waren es gerade 15 000 BesucherInnen, jetzt werden acht- bis zehnmal so viele erwartet.
Trotz vielen Parallelen zum letzten Treffen in Porto Alegre vor zwei Jahren bleibt es nicht beim «business as usual », hofft Antonio Martins von Attac Brasilien. Er setzt auf die neue Organisationsstruktur, auf die man sich nach den Erfahrungen der letzten Jahre geeinigt hat. Um eine inhaltliche Bündelung, aber auch den Kontakt untereinander zu erleichtern, finden fast alle Veranstaltungen in einem vier Kilometer langen Streifen am Ufer des Guaíba-Sees statt, in umgebauten Hafenanlagen, vor allem aber unter weissen Plastikzeltdächern. Die acht Bauten aus Bambus- und Eukalyptusstämmen, Strohballen und alten Autoreifen, die Landlose und Soldaten in einer ungewöhnlichen Partnerschaft aufgestellt haben, bilden dabei einen markanten Kontrapunkt.
Die andere Welt fängt beim Einzelnen an, und: Monopole von Konzernen sind kein Naturgesetz. Dies sollen am WSF ein konsequentes Recycling, der überwiegende Konsum von Lebensmitteln aus der solidarischen Wirtschaft, die eigene Währung Txai wie auch der ausschliessliche Einsatz von Linux auf den Forumscomputern signalisieren.
Die Prominenz wird – von Arundhati Roy bis Hugo Chávez – auch diesmal die Medien besonders interessieren. Grossveranstaltungen sind hingegen aus dem offiziellen Programm ganz verbannt. Das Kernanliegen des Forums, die Vernetzung und eine daraus resultierende «Konvergenz der Aktionen», werde durch die diesjährige Veranstaltungsstruktur mehr denn je erleichtert, schwärmt Martins: «Das Forum wird noch horizontaler, aber auch dichter und profunder.»