Letzte Vorbereitungen für das erste Weltsozialforum: Widerstand am Palmenstrand

Ein internationales Treffen gegen den Neoliberalismus soll der Linken neuen Schwung bringen. Nicht nur der brasilianischen Linken.

Hektische Betriebsamkeit herrscht im Vorbereitungsbüro des Weltsozialforums im Zentrum São Paulos. Seit gut vier Monaten läuten die Telefone der sieben MitarbeiterInnen ununterbrochen. Auf einem Tisch liegen Plakate, Aufkleber und Buttons mit dem Tagungsmotto «Eine andere Welt ist möglich». Gerade kommt Anarchosyndikalist Pierre aus Frankreich hereingeschneit, der am liebsten sofort eine Flugblattaktion starten würde.

Noch bunter dürfte es zugehen, wenn Ende dieses Monats im südbrasilianischen Porto Alegre das erste grosse Treffen gegen den Neoliberalismus stattfindet, das an die Proteste von Seattle, Prag und Nizza anknüpft und zugleich über sie hinausweisen soll. Erwartet werden 10 000 TeilnehmerInnen aus aller Welt, davon 2700 Delegierte aus sozialen Bewegungen, nichtstaatlichen Organisationen, Gewerkschaften und politischen Gruppen. Neben Podiumsdiskussionen sind hunderte von Workshops geplant. Prominente Gäste sind die indische Feministin Vandana Shiva, der Literaturnobelpreisträger José Saramago, der Befreiungstheologe Leonardo Boff und der Schriftsteller Eduardo Galeano.

Auch Danielle Mitterrand, der chilenische Schriftsteller Ariel Dorfman, Algeriens Expräsident Ahmed Ben Bella, der senegalesische Ökonom Samir Amin, Ignacio Ramonet, Chef von «Le Monde diplomatique», und der spätestens seit Seattle weltbekannt gewordene französische Bauernführer José Bové haben ihre Teilnahme zugesagt. Aus Asien werden unter anderem der osttimoresische Nobelpreisträger José Ramos Horta und der philippinische Soziologe Walden Bello kommen.

Logistische Unterstützung leisten die von der Partido dos Trabalhadores, der Arbeiterpartei (PT), gestellte Regierung des Bundesstaates Rio Grande do Sul und die Stadtverwaltung von Porto Alegre, der Landeshauptstadt, in der die PT bereits seit zwölf Jahren erfolgreich regiert. Wie der Vizegouverneur Rio Grande do Suls, Miguel Rossetto, betont, findet die Veranstaltung mit Absicht parallel zum Weltwirtschaftsforum in Davos statt: «Wir wollen einen alternativen Raum zum Einheitsdenken und zur konservativ-neoliberalen Hegemonie aufbauen.»

«Den Geist von Seattle aufrechterhalten» – so laute das Gebot der Stunde, sagt Mitorganisator Antonio Martins, Redaktor der brasilianischen Ausgabe von «Le Monde diplomatique». Die Struktur des sechstägigen Weltsozialforums sei darauf ausgerichtet: In den nachmittäglichen Workshops und den Mobilisierungen ausserhalb des Tagungsortes, der Katholischen Universität, spiegelt sich die ganze Vielfalt der Globalisierungskritik. Jeweils vormittags finden insgesamt 16 Debatten statt: Da geht es etwa um Produktion und Handel, die Verteilung des Reichtums und Nachhaltigkeit, Demokratisierungsstrategien. «Es wird keine Leitanträge, Abstimmungen oder ein künstliches Schlussmanifest geben», betont Martins, «wir möchten auf jeden Fall interne Streitereien vermeiden.» Porto Alegre solle nur «der erste Schritt» hin zu einer solidarischen Weltordnung werden.

Die einheimische Linke, von brasilianischen Medien oft als nationalistisch und antiquiert dargestellt, möchte mit dem Forum Boden gutmachen: «Es wird sich zeigen», so Martins, «dass der Widerstand gegen den Neoliberalismus die modernste internationale Strömung ist.» Auch freut er sich darauf, dass die manchmal arg selbstbezogene Linke gut «durchlüftet» werde. Nur wenige sind solch überzeugte Internationalisten wie João Pedro Stedile, Mitglied der nationalen Leitung der Landlosenbewegung MST. Alle internationalen regierungs- und kapitaldominierten Zusammenschlüsse wie die Uno, die Nato, die G-7 oder die Welthandelsorganisation WTO seien «bankrott», meint Stedile, deswegen müssten die Basisorganisationen «die grossen Menschheitsfragen debattieren und lösen.» Der MST plant unter anderem eine Demonstration in Porto Alegre und einen eintägigen Protest gegen die Gentechnik vor einer Niederlassung des US-amerikanischen Agrarmultis Monsanto.