Tagebuch-Eintrag vom Weltsozialforum in Dakar: Worin sich die Probleme der senegalesischen und schweizerischen KleinbäuerInnen gleichen
Ich bin Landwirtin und bewirtschafte mit meiner Familie im Baselbiet einen Milchwirtschaftsbetrieb mit etwas Ackerbau und Obstproduktion. Ich bin auch Mutter von fünf Kindern. Dank der Unterstützung meiner Familie und weil im Winter weniger Arbeit draussen erledigt werden muss, kann ich diese Reise nach Senegal ans Weltsozialforum machen.
Die schwierige Situation für uns Bauernfamilien in der Schweiz hat mich dazu bewegt, bei Uniterre aktiv zu werden. Ich möchte auf dieser Reise erfahren, wie es anderen Bauernfamilien zum Beispiel in Afrika geht und ob sie dieselben Probleme haben wie wir. Es ist eine einmalige Gelegenheit, dass wir dank Alliance Sud vor Beginn des Forums landwirtschaftliche Projekte von Heks und Fastenopfer besuchen können. Diese Besuche auf dem Land bei den Bauernfamilien in der nordwestlichen Region Niayes werde ich nie vergessen.
Der Landverlust der Kleinbauern auch hier in Senegal, ausgelöst durch Grossgrundbesitzer, Spekulationen, Bodenerosion und klimatische Veränderungen beschäftigen mich sehr. Ich bin beeindruckt vom Engagement der Bauern und Bäuerinnen in den gegründeten Genossenschaften. Gemeinsam ergreifen sie Massnahmen gegen die Bodenerosion. Die Dorfbewohner haben uns vor Ort die versteppten Ackerflächen gezeigt. In einem anderen Dorf investiert die Genossenschaft in bessere Bewässerungssysteme für den Gemüse- und Obstanbau.
Wie überall auf der Welt sorgen auch hier die Frauen massgeblich für das tägliche Essen. Sie haben eine Gemeinschaftskasse gegründet, aus der die Frauen für ihre Familien Kleinstkredite aufnehmen können. Das ist besonders wichtig, da während der immer länger andauernden Trockenzeiten (bis zu neun Monate) die Vorräte knapp werden.
Es ist wichtig, dass das Selbstbewusstsein der Landbevölkerung gestärkt wird. Der Präsident der lokalen Bauernvereinigung hat eindrücklich darauf hingewiesen: Die Bauern müssen den Wert ihrer Arbeit und ihres Bodens schätzen lernen und beginnen, dafür zu kämpfen. Denn der Staat hilft ihnen leider nicht. Er ist an Grossgrundbesitz interessiert, auf dem für den Export produziert wird, was wiederum Devisen bringt. Dabei sollte jedes Land zu seiner Landwirtschaft und zu den natürlichen Ressourcen Sorge tragen und sie schützen. Die Bauerngenossenschaften fordern das Recht der Bevölkerung ein, mitzubestimmen, was diese in ihrem Land produzieren und konsumieren will. Der Ruf nach Ernährungssouveränität, wie er weltweit von Bauern und Bäuerinnen zu hören ist, habe ich auch hier in den Dörfern abseits der Hauptstadt Dakar gehört. Das hat mich ermutigt.
Auch in der Schweiz gibt es enormen Landverlust. Er ist jedoch nicht die Folge von ungleichen Machtverhältnissen, wie wir sie hier in Senegal sehen, sondern von unkontrollierter Bautätigkeit. Jede Sekunde wird in der Schweiz 1,3 Quadratmeter Kulturland unwiderruflich verbaut. Zwar sind in der Schweiz wir Bauern gut organisiert, viele unserer Milch- und Landwirtschaftlichen Genossenschaften sind über hundert Jahre alt! Doch das hilft heute nichts mehr, da die bäuerlichen Vertreter kaum noch die Interessen der Basis wahrnehmen. Die Verarbeitungsindustrie und die Grossverteiler nehmen in der kleinen Schweiz zunehmend eine Monopolstellung ein und bestimmen die Produzentenpreise.
Die tiefen Preise wiederum heizen eine Mehrproduktion an, was zur Folge hat, dass der Überschuss auf dem Weltmarkt landet. Dadurch konkurrenzieren unsere Produkte die lokalen in den ärmeren Ländern und schaden so der bäuerlichen Landwirtschaft vor Ort. Der Agrarfreihandel zerstört also die bäuerliche Landwirtschaft weltweit. Diese Erkenntnis hat sich durch meinem Besuch bei diesen mutigen und gastfreundlichen Bauernfamilien hier in Senegal bestätigt. Und sicher werde ich nun jedes Mal, wenn ich in meinem Gemüsegarten so selbstverständlich die Auberginen mit Trinkwasser giesse, an die starken Frauen von Niayes denken, die in mühsamer Handarbeit das kostbare Nass in ihrer Auberginenpflanzung verteilen.