Knapp daneben: Kampfzone Sicherheit

Nr. 4 –

Im Internet stiess ich vor kurzem auf ein Fussball-Fanzine im PDF-Format: «Der Stelzbock. Das Blatt für den Block». Herausgegeben wird es von den United Supporters des FC Luzern, dem Dachverband der unabhängigen, aktiven FCL-Fans. «Der Stelzbock» zeigt auf eindrückliche Weise, dass die Zeit der maschinengeschriebenen, mit Schere und Leim gelayouteten und von Hand kopierten Fanzines ohne jeden Zweifel vorbei ist. Es ist das grosse Verdienst des «Stelzbocks», dass der Übertritt ins papierlose Zine-Zeitalter praktisch schmerzfrei vollzogen werden kann.

In der ersten Ausgabe des übersichtlich gestalteten und inhaltlich reichen Heftes findet sich ein ausführliches Interview mit dem Luzerner Sicherheitschef Daniel Ryter. Ryter fährt darin gegen die Swiss Football League (SFL) und den später zurückgetretenen Präsidenten der Sicherheits- und Fankommission, Thomas Helbling, schweres Geschütz auf. Helbling war Hauptverantwortlicher der von der SFL auf die Saison 2006/2007 eingeführten Registrationspflicht für Auswärtsfans. Als im ersten Spiel der Saison die Fans des FC Zürich vor den Toren der Luzerner Allmend standen, registrierungsunwillig, entschied Daniel Ryter eigenmächtig, die Tore zu den herkömmlichen Bedingungen zu öffnen. Helbling stiess das damals sauer auf, was Ryter im «Stelzbock» wie folgt kommentiert: «Als es hart auf hart ging, als wir uns vor Ort in den Stadien mit den Folgen der Registrationspflicht auseinandersetzen mussten, liess es sich Thomas Helbling in den Ferien gut gehen. Trotzdem liess er es sich nicht nehmen, mir via an den Karren zu fahren. Obs mich gekratzt hat? Nicht im Geringsten!»

Ryter wendet sich in seiner Kritik auch an die SFL als solche, spricht von einem «unsinnigen Ligabeschluss» und von von der SFL diktierten baulichen Veränderungen, die eher eine Gefahr darstellten und «aus sicherheitstechnischer Sicht ein völliger Quatsch» seien. Angesprochen auf die von Ryter erhobenen Vorwürfe, nimmt Roger Müller, Marketing- und Kommunikationsverantwortlicher der SFL, als Erstes Thomas Helbling aus der Schusslinie: «Es war Thomas Helblings Aufgabe, Vorschläge für ein neues Sicherheitsreglement auszuarbeiten. Seine Vorschläge wurden aber vom Komitee der SFL und von den Klubs an einer Generalversammlung abgesegnet, das Reglement ist ein Gemeinschaftswerk.» Wenige Wochen nach ihrer Einführung war die Registrationspflicht bereits Geschichte, der Boykott breiter Fankreise hatte Wirkung gezeitigt. Müller war derjenige, der anstelle Helblings die Streichung des betreffenden Passus aus dem Sicherheitsreglement vor den (teils empörten) Medien bekannt geben musste. Er kann Ryters Ärger in gewissen Punkten nachvollziehen und blickt selbstkritisch auf den vergangenen Sommer zurück: «Wir wollten nach den Vorkommnissen vom 13. Mai in Basel wahrscheinlich zu schnell zeigen, dass wir aktiv sind. Dabei haben wir die praktische Umsetzung nicht genug bedacht.» Mit mehr Vorlauf und besserer Kommunikation, so Müller, hätte die Geschichte womöglich einen anderen Verlauf genommen. Trotzdem ist die Registrationspflicht bei der SFL nun vom Tisch. «Unser Weg ist heute ein anderer», versichert Müller.

Dieser andere Weg trägt zwei Namen, wie die SFL vor zehn Tagen in einem Communiqué bekannt gegeben hat: Peter Landolt und Christian Schöttli. Landolt, der neu die Sicherheits- und Fankommission präsidiert, war viele Jahre GC-Stadionmanager im Hardturm und wird in dieser Funktion im neuen Letzigrund tätig sein. Bekannt wurde Landolt auch durch seine eigenwillige präventive Arbeit: So lud er Basler Hooligans zu einem Spiel gegen die dritte Mannschaft der Grasshoppers nach Zürich ein, mit anschliessendem Abendessen im Hardturm-Stadioncafé. Der «Tages-Anzeiger» berichtete damals in Farbe. Schöttli, der mit Landolt auf Mandatsbasis für die SFL arbeitet, ist Sicherheitschef des FC Zürich und hat sich als Geschäftsführer einer privaten Sicherheitsfirma bei vielen Fans einen Namen gemacht.

Die SFL erhofft sich von den Sicherheitsleuten Landolt und Schöttli die nötige Praxisnähe, um Rohrkrepierer wie die Registrationspflicht und Rundumschläge wie jene Daniel Ryters in Zukunft zu vermeiden. Ob der Graben zwischen den Ansprüchen der SFL und der Wirklichkeit vieler Klubs wirklich so gross ist, wie Ryters Aussagen vermuten lassen, wird sich in den nächsten Monaten zeigen; ebenso, welcher Platz Fananliegen in der ganzen Debatte eingeräumt wird. Ganz abgesehen davon, und auch wirklich nur ganz am Rande, stellt sich dann als Letztes noch die Frage, was die schleichende Fusion der beiden Zürcher Klubs auf Sicherheitsebene zu bedeuten hat.