Gleich zu Beginn ein kurzer Nachtrag zum Carlsberg-Tram, Zürichs elektrifizierter Saufpropaganda. Vergangene Woche veröffentlichte die Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme eine Medienmitteilung mit dem Titel «Euro 2008: Damit die Fans den Alkohol im Griff behalten». Darin ist unter anderem zu lesen: «Eine Arbeitsgruppe aus städtischen, kantonalen und nationalen Partnern ruft vor dem ersten Anpfiff die wichtigsten Präventionsmassnahmen in Erinnerung.» Es wäre jetzt vielleicht zu vermuten gewesen, zu diesen wichtigsten Massnahmen gehöre auch, einem Tram, das mit Nationalspielern fürs Biertrinken wirbt, den Strom abzustellen. Oder etwas in der Art. Falsch vermutet. Es steht vieles in der Medienmitteilung, aber davon nichts. Dafür erfahre ich als Leser, wer alles zu besagter Arbeitsgruppe gehört, die sich hier im Hinblick auf die EM Präventionsgedanken gemacht hat. Zuoberst auf der Liste: «Projektorganisation Öffentliche Hand Uefa Euro 2008». Nicht auf der Liste: «Projektorganisation eine Hand wäscht die andere Uefa Euro 2008».
Aber jetzt nicht schon wieder eine Euro-Kolumne. Bloss noch einen Hinweis an die Veranstalter und das Bundesamt für Verkehr: Wenn während der EM jetzt doch nicht nur rumänische Gewalttäter, sondern auch türkische Ehrengäste in den Genuss eines gelockerten Nachtflugverbots kommen und es also spätabends über den Wolken zu einigem Verkehr kommt, dann stellt genug Lotsen ein. Wegen der Drohnen. Weil das wirklich das Allerschlimmste wäre, was uns passieren könnte, eine Maschine mit türkischer Haute Volée, die eine Drohne rammt, die gerade Bilder davon liefert, wie sich Schweizer Rotnacken an feiernden türkischen MitbürgerInnen rächen für die Niederlage im Gruppenspiel.
Ich war diese Woche noch schnell im Plattenladen eines Bekannten. Nebst Platten führt er auch eine Fussballecke mit erlesenen Stücken aus zweiter Hand, Weissweingläser von Xamax, ein originales Aarau-Trikot aus der Meistersaison, alte Mützen des FC St.Gallen und einen Wimpel des FC Appenzell 1958, dessen Logo frappant jenem des FC Basel ähnelt. In verschwörerischem Ton zog der Ladenbesitzer seinen neuesten Fund unter dem Tisch hervor: Bierdeckel von Birell. Birell war neben Ex-Bier lange Zeit das bekannteste alkoholfreie Schweizer Bier, und im Unterschied zu, beispielsweise, Carlsberg alkoholfrei gabs Birell in den Läden auch tatsächlich zu kaufen. Die Birell-Deckel sind für die Fussballecke meines Bekannten von Interesse, weil darauf damalige Schweizer Nationalspieler abgebildet sind. Birell war nämlich, zusammen mit dem Mineralwasser Aqui, Sponsor der Nati. Mir wurden drei verschiedene Deckel vorgelegt, und ich versuche mich nun an die Sprüche auf den jeweiligen Deckeln zu erinnern. René Müller: «Das Birell ist des Müllers Lust.» Dario Zuffi: «Von Birell kann ich nie zuffiel trinken.» Roger Kundert: «Mit Birell bleib ich kundertprozentig fit.» Sicher, diese Wortspiele haben ihren Teil dazu beigetragen, dass es Birell heute nicht mehr gibt. Im Vergleich zur sprachlosen Sauflust, die die heutige Nati-Generation zur Schau stellt, waren sie aber immerhin eines: unverdächtig.
Mein Bekannter schien noch nicht bereit, für die Birell-Sammlung einen Preis festzulegen, weshalb ich nach Alternativen Ausschau hielt. Die Wahl fiel auf noch ältere Bierdeckel, diesmal von Anker Bier («Komm mit mir – zum Anker Bier», lacht die Frau im Matrosinnenkostüm). Für das Bier werben auf den Deckeln Marcel Kunz und Karli Odermatt, Torhüter- respektive Feldspielerlegende des FC Basel. Die kartonale Werbeoffensive muss einer der letzten Versuche gewesen sein, die Marke zu retten, denn 1976 schloss die Frenkendorfer Brauerei ihre Tore. Das spricht auf eine gewisse Weise für Kunz und Odermatt, die vielleicht doch mehr Leute zum Fussballspielen als zum Ankern animierten. Wenn ich nun aber noch lange eine Fussballkolumne für Biertexte missbrauche, fahre ich bald dieselbe Schiene wie das Carlsberg-Tram. Deshalb ist jetzt Zapfenstreich.
Spenden
Hat Ihnen dieser Text gefallen? Hat er Ihnen geholfen, Ihre Haltung zum
Thema zu schärfen, oder hat er Sie vortrefflich provoziert? Und was ist
Ihnen das wert? Unabhängiger Journalismus ist auf einen Beitrag vieler
angewiesen.