Der Schweizer Fussball ist zu schlecht. Heisst es alle paar Jahre, heisst es jetzt wieder. Zu schlecht, zu unattraktiv, nicht konkurrenzfähig, ohne Perspektive. Der FC Zürich, der unter Trainer Favre zwei Jahre lang ansehnlichen und erfolgreichen Fussball gespielt und der Liga das Tempo diktiert hatte, verlor innert Monaten sein mannschaftliches Rückgrat, einschliesslich Trainer und Assistenztrainer. Mittelfeldspieler Blerim Dzemaili etwa ging nach Bolton. Beim dortigen Premier League Klub verdient er mehr als jeder Spieler in der Schweiz, und dies ohne zu spielen. Selbst nach überstandener Verletzung braucht ihn der Verein nicht. Das zum Fenster hinausgeschmissene Geld für den Spieler kann der Klub verkraften, Dzemaili gehört zu den Günstigsten. Der FC Basel kennt die Sorgen des FCZ seit Jahren, wenn auch in schleichender Form: Wer zu gut spielt, kann nicht gehalten werden, Jahr für Jahr ziehen die Besten weiter. Die Transfers bringen zwar Geld, doch nicht genug, um Höchstniveau einzukaufen. Geholt wird gehobenes Mittelmass, ergänzt mit im Ausland gescheiterten Rückkehrern. Und das reicht dann eben nicht im internationalen Vergleich und setzt Klatschen ab, 0:5 gegen Leverkusen und 1:3 gegen den HSV (FCZ), 0:3 gegen ein in der heimischen Liga strauchelndes Sporting Lissabon (FCB).
Die Sache ist also völlig klar. Umso erstaunlicher das aktuelle Lamento, selbst in seriösen Sportspalten: jeder Spieltag ein unzumutbarer Reigen spielerischer Unzulänglichkeiten. Und wo die Gegenwart verschmäht wird, ist die Nostalgie nicht weit: Früher, da gabs noch packende Partien! Früher? Ruft man sich die Glanzlichter des hiesigen Klubfussballs des vergangenen Jahrzehnts in Erinnerung, sind Zweifel angebracht. Die Grasshoppers begeisterten Mitte der neunziger Jahre mit zwei Champions-League-Teilnahmen; woher das Geld für das damalige Wunderteam stammte, wirft bis heute Fragen auf. Fest steht, dass nach diesem Höhenflug pensionierte Bankiers einspringen mussten, um Löcher im zweistelligen Millionenbereich zu stopfen. Nach dem Ausstieg der Herren Gut und Gerber 2004 kursierte zwischenzeitlich das Gerücht, GC wolle die profitablen Bereiche wie das Trainingszentrum in Niederhasli veräussern, das Profiteam vom Verein loslösen und künftig im faktisch leer stehenden Stade de Genève spielen lassen. GC leidet bis heute darunter, damals über die Verhältnisse gelebt zu haben. Nicht, weil der Klub noch immer undurchsichtig wirtschaftet. Sondern weil er noch immer an den Erfolgen von damals gemessen wird.
Die, die sich so gern zurückerinnern, denken vielleicht auch an den eleganten FC Lugano. Tatsächlich waren die Tessiner um die Jahrtausendwende für einige spektakuläre Begegnungen verantwortlich und mehrmals nah am Titel – kein Wunder, umfasste das Kader doch Spieler wie Rossi, Rota, Bastida, Magnin und Gimenez. 2002 fischte die Polizei Luganos Präsidenten Jermini samt Auto aus dem Luganersee, sein Ende war auch das seines Klubs. 61 Millionen Franken, so die Tessiner Staatsanwaltschaft, soll Jermini veruntreut haben. Davon hatte er 45 Millionen in seinen Klub gesteckt; 45 Millionen, damit lässt sich guter Fussball spielen.
Mit wirklich wenig Geld erfolgreich gespielt, selbst im Europacup, haben in jüngster Vergangenheit nur der FC St. Gallen und der FC Thun, Ersterer dazu noch höchst attraktiv. Bei beiden Klubs fügten sich für eine kurze Zeitspanne alle für einen Effort nötigen Teile (einschliesslich Glück) zueinander, beim FC St. Gallen etwas nachhaltiger, beim FC Thun etwas weniger. Dass vermeintliche Schweizer Provinzklubs Chelsea oder Dynamo Kiew ausschalten, passiert selten, doch es passiert. Darauf lohnt es sich zu warten, darauf lohnt es sich zu hoffen. Arminia Bielefeld wird niemals deutscher Meister werden, genauso wenig wie Reggina dereinst Milan ablösen wird. In der Schweizer Liga hingegen kann vieles, kann fast alles passieren, sogar ein YB-Titel nach 22 Jahren. Da ess ich gerne hartes Brot.
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