Wunderbar, wenn eine Meisterschaft zum zweiten Mal in Folge am letzten Spieltag entschieden wird. Trotzdem schmeckt der Ausgang der Saison 06/07 schal wie eine abgestandene Stange Bier. Es geht um Muntwiler, den «Fall». Wo auch immer es endet an diesem Donnerstag, ob auf dem Barfüsser- oder dem Helvetiaplatz, die zwei Punkte für den FC Zürich haben die letzten paar Runden erheblich beeinflusst. Ohne Muntwiler wären aus Verfolger Verfolgte geworden, aus Jägern Sammler, nein, Gejagte, aus weinenden Vierten lachende Dritte. So etwas dürfte eigentlich nicht sein. Aber Jammern ist auch daneben.
27 Minuten hat der St. Galler Nachwuchsspieler Philipp Muntwiler, der gesperrte, gespielt am 1. April. Er wurde beim Stand von null zu null eingewechselt und verliess beim Stand von null zu null mit dem Schlusspfiff das Feld. Zu behaupten, Muntwiler hätte einen Sieg des FCZ verhindert, entbehrt aber jeder Grundlage. Vielmehr hat der Mann in der Schlussphase zwei Freistösse verschuldet, die dem FCZ in der schwachen zweiten Halbzeit immerhin noch die Chance auf einen Sieg eröffneten. Aus rein sportlicher Sicht also hat Muntwiler den St. Gallern nicht zum Unentschieden verholfen, sondern den Punktgewinn gefährdet. Aus rein sportlicher Sicht hätte der FCZ sagen müssen: Wir verzichten auf eine Einsprache. Wir habens nicht verdient. Wir wollen fairen Sport. We care about football.
Der Wind weht anders. Irgendwo las ich in den Wochen rund um Muntwiler, der Zürcher Xavier Margairaz sei deshalb noch kein Grosser, weil er nicht bereit sei, das Letzte zu geben. Als gutes Beispiel wurde Michael Ballack herangezogen, wie er im WM-Halbfinal 2002 auf Höhe Mittellinie ein taktisches Foul beging, obwohl er wusste, dass er sich damit Gelb einhandelte und für den Final gesperrt sein würde. Aber Ballack hat es getan, für seine Mannschaft. Ein Held. Ein wahrer Held. For the good of the game. So läuft das. Fairplay ist, beim Stand von sieben zu null zuzugeben, dass der Einwurf dem Gegner gehört.
Die Empörung über Zürichs Punkteklau, komme sie nun aus der Ost- oder der Nordwestschweiz, ist ein einziger Witz. Wer zwei Punkte in Aussicht hat, die Champions-League-Quali, Uefa Cup oder Klassenerhalt versprechen, setzt alle Hebel in Bewegung, schickt JuristInnen los, prüft das Reglement auf Schwachstellen. Oder wie würde Gigi Oeri dem eigenen Anhang und Novartis erklären, sie verzichte aus Sportgeist auf eine Einsprache und damit vielleicht auf die televisionäre Schaubühne der Königsklasse? Unsportlich sind immer nur die andern. Gerade der rekurrierende FC St. Gallen, der vor nicht allzu vielen Monaten aus einem null zu vier in Aarau ein drei zu null am grünen Tisch machte, beweist, wie kurz ein Kurzzeitgedächtnis sein kann.
Am Ende hauen dann einfach alle auf Odilo Bürgy und seine Disziplinarkommission ein, die wie alle Kommissionen der Swiss Football League (SFL) von den Klubpräsidenten abgesegnet ist. Oder man stellt die Punktewirksamkeit muntwilerscher Regelverstösse in Frage. Was wäre denn die Alternative zur Forfaitniederlage? Eine Geldstrafe? Damit die reicheren Vereine all ihre gesperrten Akteure weiter einsetzen und die Bussen aus der Portokasse bezahlen könnten? Oder Geisterspiele für Formfehler?
Das Unangenehme an der Causa Muntwiler ist doch, dass in einem solchen Fall Gesten der Fairness nicht nur naiv, sondern gänzlich unmöglich sind. Im Profisport sind Nettigkeiten unverzeihlich, Eigennutz geht über alles. Die Reaktionen auf den abschliessenden Entscheid des Internationalen Sportgerichts zeigen lediglich, dass wir die kommerziellen Realitäten im Profifussball gerne ausblenden im Glauben an den reinen Sport. Muntwilers aber wird es noch viele geben, wenn auch nicht immer mitten im Titelrennen. Damit müssen wir leben. Was nicht heisst, dass der FC Zürich nicht doch … Aber nein. Unmöglich.
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