Telefongespräch mit einem Freund am Afrika-Cup. Beteiligt: der Freund (H), vier Freunde des Freundes, die mithören (D, A, M, E), der Schreibende (P).
P: Hallo, hörst du mich?
H: Ich höre dich sehr gut, ja. Hörst du mich auch?
P: Ja, bestens. Wo seid ihr gerade?
H: Wir sind hier im Westen Ghanas am Strand. Die ersten Tage waren wir viel mit einem Juniorentrainer aus Accra unterwegs, den D über einen Freund kannte. Der Mann ist in Ghana sehr bekannt, hat auch schon ein paar Talente gross herausgebracht. Er hat uns Tickets besorgt und uns in gute Lokale geführt. Ein Glücksfall. Und ich glaube, er fand das auch ziemlich gut, dass wir Europäer uns für sein Leben, seinen Alltag interessieren. Es war auch bald klar, dass wir ähnliche Vorlieben haben, gutes Bier, Chicken and Rice, laute Musik.
P: Und das Turnier?
H: Wir haben bisher drei Spiele gesehen, Ghana-Marokko, Elfenbeinküste-Mali und Senegal-Südafrika. Der Fussball ist wirklich gut. Ich würde mal sagen, von den sechzehn Teams hätten höchstens drei oder vier Mühe, bei einer EM-Qualifikation mitzuhalten. Das Turnier ist hervorragend organisiert, es werden keine Afrikaklischees bedient. Alles ist durchdacht. Alkohol ist im Stadion verboten, Rauchen auch. Freundlich, aber bestimmt haben sie mir beim Einlass gesagt, ich müsse das Päckchen abgeben. Ich durfte es dann behalten, aber geraucht habe ich nicht.
P: Wie ist die Atmosphäre?
H: Sie ist nicht zu vergleichen mit einem Match in Europa. Die Leute kommen, um zu feiern. Wir haben sackgrobe Fouls gesehen in diesen Spielen, selbst gegen Spieler von Ghana, aber nie, wirklich nie hat das Publikum reagiert. Ausser bei den Toren bleiben die Leute vom Geschehen auf dem Rasen unberührt.
P: Das klingt ja fast wie bei uns. Da kommen auch immer mehr, um sich selbst zu inszenieren.
M: (zu seinen Freunden): Er sagt, das erinnere ihn an die Schweiz.
D: (aus dem Hintergrund): Das kannst du nicht vergleichen. Die Leute hier sehen das Spiel als Anlass für ein Fest, wie eine Hochzeit oder eine Beerdigung. Sie wollen einfach feiern und sich den Spass nicht durch ein schlechtes Spiel verderben lassen.
M: Hast du das verstanden?
P: Ja. Ich glaube schon.
M: Die Leute hier wollen geniessen. Es ist auch grossartig zum Zuschauen, ein festlicher, sehr wilder Anlass, aber nie aggro. Ich schätze mal, die Hälfte der Zuschauer schaut während des Spiels kein einziges Mal aufs Feld.
P: Was gibt es an den Spielen zu essen?
M: Snacks und Chicken and Rice kriegst du überall. Vor dem Stadion verkaufen sie eine Art geraden Cervelats am Stecken, sieht aus wie eine Glace. Den tunken sie in eine pulverige Sauce. Sehr fein.
P: Ein Cervelat, nicht krumm und trotzdem gut? Tönt nach einem Ausweg aus der Wurstkrise.
M: Ja, vielleicht. Also mir schmeckt er sehr.
D, M, E (sprechen sich kurz ab): Uns auch.
A: Mir auch, aber ohne die Sauce. Die ist mir zu scharf.
P: Seid ihr die einzigen Europäer? Fallt ihr auf?
M: Einen Engländer aus Sunderland haben wir getroffen, der für sein Fanzine über das Turnier schreibt. Sonst sieht man nur vereinzelt Europäer. Überhaupt hat es kaum klassische Schlachtenbummler aus anderen Ländern. Als wir in Accra auf dem Markt waren, riefen uns die Leute «Egypt, Egypt!» zu.
P: Also kein Ausnahmezustand?
M: Nein. Mit Ghana fiebern alle, doch für die restlichen Teams interessiert sich kaum jemand. Es gab im Radio eine Debatte über die halbleeren Stadien bei den Spielen ohne Ghana, der Moderator befürchtete, dass solche Bilder ein schlechtes Licht auf das Land werfen könnten. Dabei sind die Leute hier extrem offen und gastfreundlich. Alle wollen sich mit dir fotografieren lassen. Die einen wollten dafür sogar bezahlen. Aber dass wir aus der Schweiz hierher gekommen sind aus Interesse am Fussball, das können viele nicht einordnen.
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