Knapp daneben: Rangers

Nr. 43 –

Stadio Armando Picchi, Livorno

Manchmal spielt der Fussball mitten ins Leben hinein, und dann mag ich ihn besonders. Es war Mittag, ich war am Kochen, als es klingelte. Der Tag hatte nicht gut begonnen. Beim Lesen der Telegramme der vorabendlichen Uefa-Cup-Runde stiess mir ein Resultat besonders sauer auf: Livorno – Glasgow Rangers 2:3. So eine Begegnung ist mehr als ein Spiel, es ist ein Clash of Civilizations. Rangers, der Klub der englandtreuen Protestanten, der seit Jahren kaum mehr einen Schotten in seinen Reihen hat, steht für das Böse. Seine Anhänger haben sich auch in der Schweiz einen Namen gemacht, vor gut zehn Jahren in der Champions League gegen GC. Mit viel Alkohol angereicherter aggressiver Chauvinismus. Dagegen Livorno, rot leuchtender Stern am Himmel aller linken und halblinken Schwärmerinnen und Utopisten. Eine Hafenstadt, und der Kapitän ein Junge aus dem Quartier, der sich aus einem Millionenvertrag bei Torino herausgekauft hat, um eine Liga tiefer für seinen geliebten Verein, für sein Livorno zu spielen. Eine Fankurve, die ihre Spruchbänder gelegentlich in Kyrillisch abfasst und afrikanische Asylbewerber zu den Spielen einlädt. Und dann verliert dieses Livorno zuhause ausgerechnet gegen die Rangers.

Verdammte Rangers, dachte ich beim Rüsten, als es klingelte. Vor der Tür stand eine junge Frau mit einer grossen Cablecom-Mappe unter dem Arm. Ich sagte, «hören Sie, Sie sind jetzt schon die dritte Cablecom-Frau innert zehn Tagen, dazu ein paar Dutzend am Telefon, und unser Haus ist nicht einmal verkabelt.» «Ich habe ja noch gar nichts gesagt,» antwortete sie, «warum wissen Sie, dass ich von der Cablecom bin?» Es ist anzumerken, dass ich seit rund vier Jahren alle zwei Monate einen Werbebrief der Cablecom erhalte. Ich habe noch jeden unfrankiert zurückgeschickt, in der Hoffnung, den angeschlagenen Betrieb über die Portokasse in den Ruin zu treiben. Vergebens. Die Cablecom macht mich einfach ein bisschen aggressiv.

Dann kommt vom oberen Stock eine zweite Frau hinzu. «Gibt es Probleme?», fragt sie, «diese Frau ist in Ausbildung.» «Ja», sage ich, «ich habe ein kleines Problem, ich weiss nicht, warum die Cablecom sich ein so penetrant-verschwenderisches Marketing leisten kann und warum man mich nicht endlich aus dieser Datenbank löscht.» «Wir haben keine Datenbank», sagt die erste Frau. «Wir sind eben nicht direkt von der Cablecom», ergänzt die zweite. «Was sind Sie dann?», frage ich. Und dann sagt die zweite Frau, die schon ausgebildete: «Wir sind Rangers.»

Ich weiss nicht mit allerletzter Sicherheit, welche Tätigkeiten in diesem Fall der Begriff «Ranger» umfasst, und ich mag auch nicht die Cablecom anrufen, um es zu erfahren. Aber ich kann es mir in etwa vorstellen. Hinter meiner zugeknallten Tür höre ich die zwei verstörten, halb zur Cablecom gehörenden, aber ganz für sie den Kopf hinhaltenden Frauen eilig die Treppe runter steigen. Die Cablecom gehört nicht zu meinen fünf Lieblingsunternehmen, und was ihr Logo bedeutet und wer es entworfen hat, wüsste ich auch irgendwann gerne. Trotzdem hatte ich dann doch so etwas wie ein schlechtes Gewissen. Ich war schon etwas laut. Und das mit Livorno, das konnten die beiden Frauen einfach nicht wissen.