Vorletzten Mittwoch trafen sich im Zürcher Letzigrund die Nationalmannschaften Italiens und Portugals zu einem Länderspiel. Das neue Stadion war zum ersten Mal seit Eröffnung an einem Fussballspiel ausverkauft. Die Begegnung galt für die Teams, vor allem aber für die Stadionbetreiber als wichtiger Test für die bevorstehende Europameisterschaft. Wer nun aber dachte, die verantwortlichen Organisatoren würden sich auf ihr Kerngeschäft besinnen und keine unnötigen Risiken eingehen, lag völlig falsch. Sie schossen aus allen Rohren.
Seit Jahren versuchen nationale und internationale Verbände, Feuerwerk aus Sportstadien zu verbannen. Anfänglich kassierte lediglich Stadionverbot, wer sich zu pyrotechnischen Feierlichkeiten hinreissen liess. Dann begannen Klubs wie der FCZ, die von der Liga ausgesprochenen Pyrobussen auf die Fans abzuwälzen. Seit Einführung des Hooligangesetzes nun landen «Pyromanen», wie sie sich in Fankreisen nennen, als Gewalttäter in einer Datenbank (Hoogan). In der entsprechenden Verordnung heisst es: «Als gewalttätiges Verhalten gilt ferner (…) das Mitführen oder Verwenden von (…) pyrotechnischen Gegenständen in Stadien oder Hallen.» Da staunte unsereins nicht schlecht, als es bei Italien–Portugal ganz offiziell -– zum Einlauf der Mannschaften, bei den vier Toren und nach Spielschluss – krachte, zischte, rauchte und knallte, dass halb Zürich-Aussersihl im Feuerwerknebel versank.
Am Nachmittag vor besagtem Länderspiel wurde im Zürcher Gemeinderat über eine weitere Datenbank für Fussballfans debattiert. Sie heisst Hooldat und ist seit längerem in Betrieb. Weil der Stadtzürcher Datenschützer aber ihre fehlende gesetzliche Grundlage kritisiert hatte, musste der Stadtrat diese nachreichen. Im Parlament fand der stadträtliche Vorschlag ein Mehr, Hooldat darf weitergeführt werden. Die Debatte jedoch wird noch eine Weile nachhallen.
Hooldat ist eine Datei für auffällige, potenziell gewaltbereite Fans. Gesammelt werden nicht Daten von Leuten, die etwas getan haben, sondern von solchen, die vielleicht irgendwann etwas tun könnten. Klingelingeling, macht es da, auch bei den im Gemeinderat anwesenden JournalistInnen. «Zu gut erinnert man sich an die Fichierung breiter Personenkreise, die in den 1980er Jahren aufflog», mahnt der Ratsberichterstatter der NZZ, und der «Tages-Anzeiger» schreibt überdeutlich-spöttisch von einer «gewaltsuchenden» Datenbank. In und zwischen den Zeilen ist die Verwunderung über eine Ratsdebatte zu lesen, in der eine seltene Allianz aus Alternativer Liste, Grünen und SVP vergeblich an Vernunft und Lernfähigkeit appellierte, während breite Kreise der SP ihrer Polizeivorsteherin den Rücken stärkten und dafür von gewohnter Seite Ungewohntes zu hören bekamen. «Jetzt fordern Sie genau das, was Ihre Partei vor zwanzig Jahren mit aller Kraft abschaffen wollte: die vorsorgliche Fichierung», rief SVP-Tuena in den Saal, nachdem SP-Nielsen einen Satz geäussert hatte, der vielleicht mehr über die jüngsten sozialdemokratischen Wahlniederlagen aussagt als manch breit angelegte Analyse: «Wie wollen Sie einem normal denkenden Menschen klar machen, dass zuerst etwas passieren muss, bevor man handeln kann?»
Was folgt noch alles, wenn Geisteshaltungen wie die hier Offenbarte in rot-grünen Städten Mehrheiten finden? Rauchdat, Dickdat, Autodat? Am Tag vor der Ratsdebatte hatte die Stadtpolizei Hausbesuche bei registrierten «Gewalttätern» (Hoogan) und Mahnbriefe an «Eventualgewalttäter» (Hooldat) angekündigt – ein Vorhaben, von dem sie später wieder abrückte, offiziell aufgrund des negativen «Medienechos», inoffiziell wohl eher aus Kalkül im Abstimmungskampf um das Polizeigesetz. Unter den Hooldat-BefürworterInnen im Zürcher Gemeinderat stiess sich niemand daran, dass für die geplanten Einschüchterungen Daten aus einer Datei herhalten müssten, über deren Rechtmässigkeit erst noch zu befinden war. Und dass in Hoogan nicht nur Schläger, sondern etliche FeuerwerklerInnen registriert sind, ging in der ganz legalen Letzigrund-Böllerei vollständig unter.
Was folgt noch alles? Rauchdat, Dickdat, Autodat?
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