Die Liaison zwischen der Expo und der WOZ begann verheissungsvoll: Mit einem ganzseitigen vierfarbigen Inserat luden die Ausstellungsverantwortlichen am 11. Juli 1997 das WOZ-Publikum ein, sich den Kopf zu zerbrechen über die Zukunft der Schweiz und sich, falls dabei Ideen auftauchten, mit einem Projekt an der Expo 2001 zu beteiligen. Besonders verheissungsvoll war, dass gleich eine ganze Serie solcher Inserate - für tausende von Franken - für den Herbst angekündigt wurde. Freudiges Misstrauen in der Redaktion: Wollen die uns kaufen? Wollen die wirklich, dass die WOZ-LeserInnen die Expo projektieren?
Der zweite Streich: Expochefin Jacqueline Fendt ernennt auf den 1. August 1997 Pipilotti Rist zur künstlerischen Direktorin. Misstrauische Freude in der Redaktion: Ist die etablierte Schweiz in der Defensive? Ist sie nach der «Diamant»-Feier 1989, wo sie mit 2.-Weltkriegs-Veteranen 50 Jahre Kriegsausbruch und Festung Schweiz zelebrierte, und nach der 700-Jahre-Eidgenossenschaft-Feier 1991, auf die viele Kunstschaffende mit einem Kulturboykott antworteten, nun auf ihre KünstlerInnen und Intellektuellen angewiesen? Doch wie könnten sich diese Gehör verschaffen, ohne dass sie vereinnahmt und instrumentalisiert würden?
Adolf Muschg wird von der WOZ zu Rate gezogen und rät tatsächlich, diesmal sollten die Intellektuellen nicht abseits stehen, sondern mit ihren Geschichten antreten gegen Christoph Blochers «Einfältigkeit», sein «demagogisches Kalkül», seine «Schlagseite zum Totalitären hin» (Nr. 31/97).
Pipilotti Rist verblüffte und begeisterte mit ihren Auftritten und Ideen. Sie versprach dem Land ein identitätsstiftendes, kollektives Werk und den BesucherInnen ein bisschen Glücksgefühl (Nr. 32/97). Dann nahm sie sich vor, Talent und Geld zusammenzuführen. Mit dem Geld war das allerdings nicht so einfach. Den Bund durfte die Expo nämlich nichts kosten, sie sollte von Sponsoren berappt werden. Aber auf keinen Fall durfte die Ausstellung eine kaschierte Verkaufsmesse werden. Nein, die Wirtschaft sollte, nachdem sie eben noch für die Holocaustgelderskandal-Bewältigung zur Kasse gebeten respektive gezwungen worden war, ganz uneigennützig und mit ganz kleinen Logos einen 1,5 Milliarden Franken grossen Beitrag zur Zukunft der Schweiz leisten.
Der Rest ist Geschichte, könnte man sagen, eine Geschichte von Kleinkrämerei und Verzagen, von Halbheiten und Rettungsübungen. Das Projekt machte hauptsächlich durch Skandale und Bankrottdrohungen von sich reden. Die Bevölkerung in den Standortgemeinden reagierte abwartend skeptisch; die einen hofften auf Wirtschaftsförderung für ihre rezessionsgeplagte Region, die anderen befürchteten einen Umweltkollaps wegen der Iris-Schnellboote (Nr. 28/98). Aus der Expo 2001 wurde die Expo.01, dann die Expo.02. Pipilotti Rist kapitulierte vor den monumentalen Managementaufgaben, Jacqueline Fendt wurde in die Wüste geschickt. Jetzt sei «Krawattenjargon» angesagt, kommentierte die WOZ ernüchtert und trauerte der Frauenpower und Pipilotti nach: «Rist war mehr als eine schillernde Integrationsfigur für Kritik und Kreativität, Konsum und Kommerz.» Und überhaupt wäre sie mit ihren Qualitätskriterien, etwa, dass die Expo-Projekte «dringende gesellschaftliche Probleme nicht nur aufwerfen, sondern auch Lösungsansätze und Hoffnungen vermitteln» sollten, «für das 1,5-Milliarden-Projekt sowieso nicht tragbar gewesen.» Das ehre sie, tröstete WOZ-Redaktor Fredi Lerch (Nr. 1/98).
Obschon der üppige Inserateauftrag leise sistiert wurde und damit auf Nimmerwiedersehen verschwand, liess sich die WOZ nicht abweisen: In unzähligen Beiträgen hat sie die «Drei-Seen-Landi» von allen Seiten beschnuppert. Sie hat mit 400asa, den Autoren des Theaterstücks zum 1. August geflirtet. Sie hat wieder und wieder Annäherungsversuche gemacht, Buch geführt über erfüllte Erwartungen und enttäuschte Liebe zu den Projekten auf den Arteplages.
Monolith, Klangtürme, Wolke sind verschwunden. Wie es sich für eine Party von MusterschülerInnen gehört, wurde nach dem Fest alles tadellos aufgeräumt, demontiert und wieder verwertet.
Was ist geblieben? Für die Bevölkerung der Drei-Seen-Gegend, die sich grösstenteils mit einer Saisonkarte ausgerüstet hatte: die Erinnerung an ein überraschend gelungenes Fest und im einen oder anderen Garten eine Expo-Lampe. Für die BesucherInnen von auswärts: die Erinnerung an stundenlanges Schlangestehen und da und dort wohl auch das von Pipilotti Rist versprochene «bisschen Glücksgefühl». Für die Expo-Verantwortlichen der zweiten Stunde, Martin Heller und Nelly Wenger, ein 500-seitiger Schlussbericht. Für die Schweiz: nichts - und Christoph Blocher.
Artikel zum Thema Expo finden Sie auf der Website hier:
Bis zu unserem Jubiläum im Herbst werden wir an dieser Stelle eine kleine Auswahl der Highlights vorstellen, die in den letzten 24 Jahren in der jeweiligen Kalenderwoche in der WOZ erschienen sind. Diesmal ist Kalenderwoche 28 Anlass zum Rückblick auf die WOZ-Berichterstattung zur Schweizerischen Landesausstellung.
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In seiner Berner Rede hat Christoph Blocher vor einem Monat Adolf Muschg «Anbiederung an den nördlichen Nachbarn» vorgeworfen. Zwei Wochen später hat Muschg die Intellektuellen der Schweiz öffentlich dazu ermuntert, bei der Landesausstellung 2001 nicht abseits zu stehen. Die WoZ hat nachgefragt.
Den Dialog mit den Medien suchte Pipilotti Rist, Multimedia-Künstlerin, auf ihre Weise: Sie richtete auf Internet eine «Discussion-Line» ein. Mit der WoZ sprach die neu ernannte künstlerische Leiterin der Expo 2001 live.
Am kommenden Mittwoch wollen die Verantwortlichen der Expo.01 wieder einmal ein bisschen informieren. Nicht zuletzt wegen dieser Informationspolitik hat Biel, der grösste Standort der Landesausstellung, zunehmend Mühe mit dem Projekt.
Sommer 1997: Zwischen warmen Regengüssen dösen zwei engagierte Kulturschaffende in einem eidgenössischen Strassencafé: lifegestylt und dresscodiert. Rundum also auf der Höhe, von der herab die Aussicht frei ist auf den medialen Showdown zwischen zwei Dinosauriern: Das Viech «Blocherschweiz» speit Feuer und Flamme gegen das Viech «Classepolitique». Und umgekehrt. Bisschen bemühend. Worum die sich streiten? Sterben sowieso nächstens aus.
«Entscheidend ist, dass wir, wenn wir wirklich Frieden wollen, alle Probleme im Nahen Osten lösen müssen.» Das sagte Jassir Arafat in einem WOZ-Interview, das wir am 18. Januar 1991 auf der Titelseite publizierten. Kurz zuvor, in der Nacht zum 16. Januar, hatten die USA mit dem Segen der Uno den Luftkrieg gegen den Irak begonnen. Dieser Krieg und seine Vorgeschichte, sein Verlauf, seine Folgen hat nicht nur die WOZ-Auslandredaktion über Monate hinweg in Atem gehalten.