Aus WOZ Nr. 24/1995:: Das Mass ist voll

Nr. 25 –

Ich erkläre hiermit meinen Austritt aus dem Förderverein ProWOZ, dem ich seit seiner Gründung im Jahre 1984 angehöre. Der Grund sind die wiederholten Kommentare zum Krieg in Bosnien, die unter dem ideologischen Deckmantel eines Neutralismus eine mehr oder weniger ausgeprägte Sympathie für die serbische Seite bekundeten. Mit dem Artikel von Harry Richter in der WOZ vom 2. Juni, «Wer findet den Weg nach Pale?», ist für mich nun das Mass voll. Ich bin nicht gewillt, weiterhin eine Zeitschrift zu fördern, die wiederholt die Untaten faschistischer Massenmörder und Kriegsverbrecher herunterspielt und deren Opfer zu Tätern zu machen versucht. Nach «Le Monde» - einer der WOZ nicht unbekannten Zeitung - ist das, was die serbischen Cetniks in Bosnien anrichteten, eine «Rehabilitierung der Barbarei».

Bei der Lektüre des Artikels von Harry Richter fragt man sich, ob denn tatsächlich die serbischen Cetniks zwei Jahre lang die wehrlose Zivilbevölkerung von Sarajevo beschossen und dabei tausende von Männern, Frauen und Kindern getötet oder verstümmelt haben, die Stadt in ein KZ verwandelt haben - ich war in Sarajevo, ich weiss, wovon ich rede - oder ob nicht in Tat und Wahrheit die bosnische Armee zwei Jahre lang Belgrad beschossen, Elektrisch, Gas und Wasser abgestellt und die Lebensmittelversorgung der Stadt immer wieder blockiert hat.

Kein Wort vom Genozid, besser Ethnozid an den Moslems. Stattdessen spricht Richter von der von Washington und Bonn «praktizierten Politik der einseitigen Verteufelung und Isolierung der bosnischen Serben». Kein Wort von der nun drei Jahre dauernden Isolierung Sarajevos. Hingegen lobt Richter den «gesprächsbereiten Radovan Karadzic» sowie die «serbische Verhandlungsbereitschaft». Nach dem Massaker in Tuzla, bei dem siebzig Jugendliche durch eine serbische Granate ermordet wurden, hat Richter die Stirn - und die WOZ druckt das auf der ersten Seite -, von «Falschmeldungen über angebliche serbische Massaker» zu sprechen. Usw. usw. Hitler hat nicht umsonst gelebt.