Rückblick auf die WOZ-Berichterstattung über seltsame Urangeschäfte in den Jahren 1995 und 2002: Wie die Schweizer AKW 70 Millionen Dollar in den Sand setzten
Die Geschichte gleicht einem Politthriller. Am Anfang stand ein steinreicher US-Amerikaner, der mit Uran viel Geld machte. Danach übernahm ein russischer Minister die Rolle des Bösewichts, der heute in Moskau im Gefängnis auf seinen Prozess wartet und schon seinen dritten Herzinfarkt hatte. Und mitten drin die Schweiz, die den Herren als Drehscheibe diente.
Die WOZ berichtet im Juni 1995 (WOZ Nr. 26/95) das erste Mal über die Geschichte: Der US-Amerikaner Oren Lee Benton aus Colorado galt als der grösste Uranhändler der Welt. Reich war er unter anderem mit russischem Uran geworden. Die Schweizer AKW Gösgen, Leibstadt und Beznau gehörten zu seinen Kunden. Doch dann warfen ihm die US-Behörden lusche Geschäfte vor, blockierten seine Lieferungen aus Russland - in der Folge ging Benton 1995 Bankrott. Die Schweizer AKW verloren Millionen. Doch damit war die Geschichte nicht zu Ende.
Benton hatte in der Schweiz seine Niederlassungen. Unter anderem gründete er 1991 in Olten die Global Nuclear Services and Supply GNSS Ltd, die als Bindeglied zwischen Ost und West fungierte.
Benton verliess die GNSS, nachdem in den USA die ersten Ermittlungen gegen ihn anliefen. Die WOZ schrieb damals: «Pikant ist die Benton-Nachfolge in der GNSS: Seit August [1994] präsidiert kein Geringerer als der russische Atomvizeminister Egorow den Verwaltungsrat. Es scheint merkwürdig, dass ein russischer Atomminister als Privatmann von Olten aus Uranhandelsgeschäfte betreibt.» Geführt wurde das GNSS-Büro in Olten von Hans W. Vogt, dem ehemaligen Technischen Direktor des Kernkraftwerkes Gösgen.
Techsnabexport, eine Firma von Minatom, übernahm dann die GNSS vollständig.
Ende der neunziger Jahre trat ein neuer Mann in Aktion: Jewgenij Adamow, der neue Atomminister Russlands. 1999 enthüllte Greenpeace, dass das russische Atomministerium (Minatom) und Schweizer AKW-Betreiber eine Absichtserklärung unterzeichnet hatten, um dereinst Schweizer Atommüll nach Russland zu exportieren. Die Absichterklärung war von Adamow persönlich unterzeichnet.
2001 bekam Adamow jedoch Probleme: Die Antikorruptionskommission des russischen Parlamentes warf ihm vor, er habe im grossen Stil seine eigenen Interessen verfolgt und mit privaten Firmen Geld gemacht. Der Bericht der Kommission war so vernichtend, dass Adamow sein Amt räumen musste (siehe WOZ Nr. 25/02). Die Schweiz war für Adamow immer sehr wichtig. So habe er, laut Kommissionsbericht, in der Oltener GNSS bewusst seine Vertrauensleute platziert, die aber für ihren Job nicht qualifiziert gewesen seien.
Adamow hatte im Ausland auch diverse private Firmen gegründet, unter anderem die Omeka Ltd., die in Bern domiziliert war; sie unterhielt unter anderem mit Techsnabexport Beratungsverträge. Laut dem Bericht der Antikorruptionskommission verdiente Adamow allein mit der Omeka monatlich 15 000 Dollar.
Im vergangenen Mai nahm die Schweizer Polizei Adamow fest, da die USA nach ihm fahndeten. Die US-Untersuchungsbehörden werfen ihm vor, Gelder abgezweigt zu haben, die eigentlich dazu gedacht waren, die russischen AKW sicherer zu machen. Laut dem US-amerikanischen Ankläger drohen ihm eine Haftstrafe von sechzig Jahren und eine Busse von 1,75 Milliarden Dollar.
Nach Adamows Verhaftung interessierten sich plötzlich auch die russischen Behörden für ihn und stellten ebenfalls ein Auslieferungsgesuch. Nach einigem juristischen Gerangel überstellte die Schweiz Adamow um die Jahreswende nach Moskau. Ende April gab die russische Generalstaatsanwaltschaft bekannt, die Untersuchungen gegen Adamow und drei weitere ehemalige Mitarbeiter von Minatom seien abgeschlossen. Man wirft ihnen «schwere Veruntreuung als Mitglied in einer organisierten Gruppe» vor. Insgesamt sollen sie den Staat um 110 Millionen Dollar geprellt haben. Wann der Prozess stattfindet, ist noch nicht bekannt.
Oren Lee Benton, der am Anfang der Geschichte stand, ist am 19. Mai in Colorado an Krebs gestorben.
Die vollständigen Texte zum Thema aus WOZ Nr. 26/1995 und WOZ Nr. 25/2002 finden Sie hier:
Bis zu unserem Jubiläum im Herbst werden wir an dieser Stelle eine kleine Auswahl der Highlights vorstellen, die in den letzten 24 Jahren in der jeweiligen Kalenderwoche in der WOZ erschienen sind. Diesmal ist Kalenderwoche 26 Anlass zum Rückblick auf seltsame russisch-schweizerische Geschäfte.
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Die Schweizerische Depeschenagentur tippte praktisch nur den Pressetext der Bündner Polizei ab. Der «Tages-Anzeiger» titelte «Massenkontrollen verhinderten Nachdemos». Der «SonntagsBlick» schrie: «An der Kundgebung in Chur hielten sich die Chaoten zurück. In Landquart zeigten sie ihr wahres Gesicht». Die «Neue Zürcher Zeitung» erkannte: «Mit kluger Taktik Eskalation verhindert». Und der «Blick» sah: «Wef-Chaoten schlugen wieder in Landquart zu». Auch die «Südostschweiz» quengelte: «In Landquart haben es rund 500 Wef-Demonstranten auf die Spitze getrieben.
Ausser schwarz war die WOZ in ihren ersten Jahren rot, dann wurde sie gelb, was sie bis heute geblieben ist. Ein einziges Mal aber war sie blau: «Treues WoZ-Publikum! Dies hier ist die WoZ oder genauer; ihre Sonderbeilage zur Presselandschaft Schweiz», hiess es im Editorial der WOZ Nr. 10/02 unter dem Zeitungskopf, der den Schriftzug der «Weltwoche» täuschend echt imitierte - eben im obligaten Blau. Ebenfalls auf der Titelseite hiess es: «Sehr geehrte, leider unbekannte InvestorInnen der Jean Frey AG.
«Bitte rufen Sie die Polizei nicht an, wenn Sie das Gefühl haben, ein Fixer oder ein Dealer werde zu hart angefasst», bat die Zürcher Stadtpolizei im Januar 1995 die Zürcher Bevölkerung. Und Roger de Weck, damals Chefredaktor des «Tages-Anzeigers», erteilte den PolizistInnen die Generalabsolution mit der Bemerkung, «es werde wohl nicht jedem Polizisten gelingen, die Verhältnismässigkeit zu wahren». Angesichts der offenen Drogenszene am Letten und deren anstehender Räumung waren nicht aufmerksame BürgerInnen gefragt, die dem Staat und seinen Organen auf die Finger schauten.
«Dies ist die vollständigste WoZ, die je gedruckt worden ist», verkündete die WOZ auf der Titelseite vom 16. März 2000. Nebst der nationalen Zeitung und der «Monde diplomatique» enthielt die Ausgabe als Premiere den Regionalbund «WoZ Luzern», der zur Feier der Erstausgabe in der ganzen Schweiz beilag. Der Start verlief viel versprechend. Innert weniger Stunden war die WoZ an jenem Donnerstag in und um Luzern ausverkauft.