Nach der Anti-Wef-Demo von 2004: Das Landquarter Kesseltreiben

Nr. 5 –

Die Schweizerische Depeschenagentur tippte praktisch nur den Pressetext der Bündner Polizei ab. Der «Tages-Anzeiger» titelte «Massenkontrollen verhinderten Nachdemos». Der «SonntagsBlick» schrie: «An der Kundgebung in Chur hielten sich die Chaoten zurück. In Landquart zeigten sie ihr wahres Gesicht». Die «Neue Zürcher Zeitung» erkannte: «Mit kluger Taktik Eskalation verhindert». Und der «Blick» sah: «Wef-Chaoten schlugen wieder in Landquart zu». Auch die «Südostschweiz» quengelte: «In Landquart haben es rund 500 Wef-Demonstranten auf die Spitze getrieben. Erstmals musste die Polizei rigoros durchgreifen.» Und höhnte zum Schluss: «Hätten die Chaoten nicht den Zug blo-ckiert, sie wären längst zu Hause gewesen.» Das «St. Galler Tagblatt» und die «NZZ am Sonntag» sahen nur gerade «mehrere hundert umstellte Personen» - später sollte sich herausstellen, dass die Identität von 1082 Menschen kontrolliert wurde, die dazu bis zu sieben Stunden lang festgehalten wurden.

Am 24. Januar 2004 waren die TeilnehmerInnen einer weitgehend friedlichen Anti-Wef-Demo auf dem Heimweg von Chur. Die SBB hatten sie in einen Sonderzug gesteckt, der in Landquart unplanmässig hielt. Die Notbremse sei gezogen worden, behauptete die Polizei. Kaum jemand korrigierte, dass der Zug nicht ruckartig, sondern langsam anhielt. Dass die Polizei ihre Aktion minutiös geplant und konzertiert zu haben schien, wollte fast niemand wissen.

Erst Tage später erschienen in den Zeitungen empörte Leserbriefe von - pauschal als «militant» abgestempelten - DemoteilnehmerInnen. Erst Tage später (der Vorfall geschah am Samstag, die nächste WOZ erschien erst fünf Tage danach) sollten Artikel, Augenzeugenberichte und ein Kommentar in der WOZ klar machen, was in Landquart wirklich passiert war. Zumindest zwei JournalistInnen waren nämlich bis zuletzt dabei und schrieben in der WOZ:

«Mindestens 700 Artikel erschienen in der Schweiz, allein in den letzten zehn Tagen, das Fernsehen sendete über 50 Stunden. Alles gesagt, könnte man meinen. Doch es bleiben jede Menge Fragen, zum Beispiel diese: Wo waren die Medien, als in Landquart Wasserwerfer, Tränengas, Lebensgefahr und Angst herrschten?», schrieb die WOZ auf der Frontseite, schilderte die Ereignisse und kommentierte sie auf mehreren Seiten.

«Nach 17 Uhr beginnen Genfer Polizisten in Kampfmontur den Zug zu räumen, prügeln Leute und werfen Tränengas in einen Wagen. (...) Es entsteht eine Massenpanik, die Leute trampeln sich fast nieder und müssen durch das Tränengas und die explodierenden Schockgranaten über die Gleise rennen», berichtete Bettina Dyttrich. Und Kaspar Surber schrieb: «Als ich endlich wieder ins Freie trat, war mindestens eine Stunde verstrichen, wobei mir die ganze Zeit über die Arme gefesselt waren.» Und Heiner Busch kommentierte: «Alles weist darauf hin, dass sie (die Polizei) dieses Vorgehen geplant hatte ... mit dem Ziel, möglichst viele Leute zu fichieren und ihnen einen derartigen Schrecken einzujagen, dass sie im nächsten Jahr auf Proteste gegen das Wef verzichten.»

Der Berner Anwalt Daniele Jenni, der in Landquart ebenfalls festgehalten wurde, reichte gemeinsam mit 36 anderen Personen Anzeige wegen Körperverletzung, Tätlichkeit, Gefährdung des Lebens, Nötigung, Freiheitsberaubung und anderer Delikte gegen die Polizei ein. Das Bündner Kantonsgericht trat nicht auf die Klage ein mit der Begründung, die Beschwerdeführer seien nicht legitimiert dazu.

Bis zu unserem Jubiläum im Herbst werden wir an dieser Stelle eine kleine Auswahl der Highlights vorstellen, die in den letzten 24 Jahren in der jeweiligen Kalenderwoche in der WOZ erschienen sind. Diesmal: Kalenderwoche 5.

Den vollständigen Text zum Kesseltreiben in Landquart (WOZ Nr. 5/04) finden Sie hier: www.woz.ch/dossier/25jahrewoz/12901.html