Aus WOZ Nr. 34/1984: Wieder Bücher verbrennen?

Nr. 34 –

Wenn Kulturschaffende heute gegen eine menschenverachtende Asylgesetzrevision anschreiben und agieren, muss man nicht lange suchen, um denjenigen zu finden, der sich, selber schreibend, darüber aufregt. Er heisst Mörgeli, ist SVP-Nationalrat und hat eine Kolumne. Sein etwas weniger intelligentes und eloquentes Pendant vor einundzwanzig Jahren hiess Edgar Zaugg, war Vorstandsmitglied der Stadtberner Nationalen Aktion (NA) und hatte keine Kolumne. Dafür schaltete er Inserate. Darin standen Sätze wie «Früher hätte man die Bücher der Schriftsteller verbrannt.» Diverse Zeitungen empörten sich über Zaugg und die NA. Die WOZ bat den gerade aus Argentinien zurückgekehrten Nationalisten und Rassenfanatiker zum Gespräch. Redaktor Res Strehle wollte «die Details nachfragen, so, als ob man seinen Augen nicht getraut hätte» - und traute alsbald seinen Ohren nicht. Er hörte Sätze wie diese: «Wir haben einen Wohlstand, den unsere Vorfahren erkämpft haben und gegen Angriffe aus West, Süd, Nord und Ost verteidigt haben, damit wir unsere Eigenart wahren konnten. Wenn wir nun unsere Eigenart aufgeben und verlieren wollen, hätte der Kampf unserer Vorfahren überhaupt keinen Wert gehabt. Sie wären dumm gewesen, ihr Blut zu opfern, um uns ein bodenständiges, ehrvolles Erbe zu hinterlassen.» - «In Südamerika sind einzelne Indianerstämme auch erst vor hundert Jahren ausgerottet worden. Möglich, dass in hundert Jahren der echte Schweizer kaum mehr existiert. Er ist mit Italienern, Spaniern oder Asiaten und Afrikanern vermischt.» - «In Südafrika sind sehr viele Neger auch für die Rassentrennung.»

Im offiziellen Sprachgebrauch der Schweizer Asylpolitik wurde zu Beginn der achtziger Jahre die Abgrenzung zwischen «echten» und «unechten» Flüchtlingen eingeführt. Strehle kommt damit auf die damals aktuelle Diskussion um die in der Schweiz Asyl ersuchenden tamilischen Flüchtlinge zu sprechen. Für Edgar Zaugg, so stellt sich heraus, sind sie Terroristen, zumindest «teilweise». Er sagt: «Die andern sind einfach mitgelaufen. Sie haben profitieren wollen, weil sie gesehen haben, dass die Schweizer Touristen in Sri Lanka viel Geld ausgeben können. Sie fragten sich: Was ist das für ein Schlaraffenland, wo die Leute so gut leben? Da gehen wir auch hin! Der Tamile war ja schon immer eine Exportfirma. Er geht überall hin, wo er arbeiten und profitieren kann, so wie die Italiener, die auch auswandern. Zusätzlich wurden Leute mit Unterstützung der Kommunistischen Partei Sri Lankas nach Europa eingeschleust. Darin sehe ich eine grosse Gefahr (...) Das ist gezielte Destabilisierung.» Zaugg, der nichts mit nationalsozialistischer Ideologie zu tun haben will, weiter: «Man hat auch gesagt, die Juden hätten mit ihrer Absonderung ihre Lage ein Stück weit selber heraufbeschworen», und: «Der liebe Gott hat jedem Volk seinen bestimmten Platz gegeben, damit es darauf und daraus sein Bestes macht.» Strehle: «Wo haben Sie das her? Aus der Bibel?» - Zaugg: «Nein, nicht direkt. Das ist eine logische Folgerung aus den Unterschieden, die die Natur gemacht hat. Dieses Naturgesetz sollte der Mensch nicht umstürzen.»

Der Interviewer setzte hier den Schlusspunkt. Die Worte hallen nach. Mit einem Kasten rundet der WOZ-Redaktor das Ganze ab. Er schreibt: «Ich persönlich glaube nicht, dass ein neuer Faschismus in diesem Gewand daherkommt. Denkbar aber, dass dieser nostalgische Blut- und Bodenpopulismus (...) irgendwann moderneren Planungs- und Vernichtungsstrategen in die Hand spielt.»

Edgar Zaugg wurde später übrigens wegen übler Nachrede verurteilt. Er hatte einen Journalisten als «Hetzer» und «Verdreher» verunglimpft. Den Berner Stadtrat hatte er zu dieser Zeit bereits - unter Protest - verlassen. Seine letzte Spur führt zurück nach Argentinien: Am 5. Juli publizierte «Das Ostpreussenblatt» einen Leserbrief eines gewissen Edgar Zaugg. Der Wortlaut: «Per Zufall geriet mir in Argentinien Ihre Zeitung in die Hände, und es freute mich, daraus zu entnehmen, dass es in Deutschland doch noch Köpfe gibt, welche einen gesund-national denkenden Verstand haben. Ich bin zwar kein Deutscher, jedoch ein Schweizer germanischen Ursprungs, der wegen seiner nationalen Einstellungen heute als Emigrant in Argentinien lebt.»



Bis zu unserem Jubiläum im Herbst werden wir eine kleine Auswahl der Highlights vorstellen, die in den letzten 24 Jahren in der jeweiligen Kalenderwoche in der WOZ erschienen sind. Diesmal ist Kalenderwoche 34 Anlass zum Rückblick auf ein eher ungewöhnliches Interview von 1984.

Das vollständige Interview mit Edgar Zaugg aus der WOZ Nr. 34/84 finden Sie hier.