WOZ 10/87 (6. März 1987): Bankverein nimmt Pop und Jazz herein

Nr. 14 –

«Der Zeitgeist hat sich geändert», sagt Markus Bodmer, zuständig beim Schweizerischen Bankverein für PR-Aktionen und Sponsoring. Jetzt geht es in grossen Schritten ins Banken-Sound-Age. Im Herbst startet der Bankverein mit einem elektronischen Vorverkaufssystem für Pop- und Jazzkonzerte. Tickets für «Good News»-Konzerte, fürs Montreux-Festival und evtl. auch fürs Willisauer Jazz-Festival sind in Zukunft nur noch in den Schalterhallen des Bankvereins erhältlich. Gleichzeitig schickt die Bank die George Gruntz Concert Band auf US-Tournee, kauft das Berner Oldtime-Jazz-Festival, sponsert – wie Recherchen ergaben – mit 300 000 Franken das Plattenlabel HAT HUT und mit 50 000 Franken das Willisauer Jazz-Festival.

WoZ: Über welche Kanäle schüttet der Bankverein Geld in die Kultur?
Markus Bodmer: Wir haben fünf Säulen: Zum 100jährigen Jubiläum 1972 des Bankvereins wurde ein Fonds von 15 Millionen Franken als Kapital eingerichtet, womit man arbeiten kann. Je nach Zinslage können wir ca. 800 000 Franken jährlich ausschütten. Der Jubiläumsfonds wirkt als Mäzen. Wir vergeben das Geld im Giesskannenprinzip. Wir können das Geld also nicht PR-mässig einsetzen. Als zweites kauft der Bankverein Bilder von zeitgenössischen Schweizer Malern, mit denen wir unsere Büros ausstatten. Dann haben wir die «freiwilligen Beiträge der Bank». Diese Gelder stellen wir Verbänden, Parteien und auch für kulturelle Zwecke zur Verfügung. Als viertes haben wir den PR-Bereich. Hier geht es nicht um Mäzenatentum, sondern um Verkaufsförderung. Wir setzen unser Geld gezielt ein. Die letzte Säule wird «Sport-Sponsoring» genannt. Wir kaufen Werbefläche ein, die sich in den elektronischen Medien und in den Zeitungen multipliziert, indem die Signete überall in Erscheinung treten.

Was bedeutet für Sie Kunst?
Bodmer: Unsere Firma will das nicht philosophisch interpretieren. Kunst ist für uns eine Kommunikationsmöglichkeit mit der Öffenlichkeit. Sie kann uns helfen, ein Image zu schaffen.

Was sind die Leitlinien Ihrer PR-Abteilung im Bereich Kultur?
Bodmer: Der Bankverein will sich als Musikbank im allgemeinen und als Popbank und Jazzbank im besonderen etablieren. Wir haben das Berner Jazzfestival,wir sind in Willisau dabei, wir haben mit Werner Uehlinger die Hat-Hut-Platten. Dazu kommen verschiedene lokale Jazzveranstaltungen, die wir unterstützen. Und neuerdings – Sie haben sicher schon davon gehört – sind wir mit dem George Gruntz Orchester unterwegs.

Und das Montreux Jazz-Festival?
Bodmer: Es sieht so aus, dass wir in Montreux dabei sein werden. Nochmals zurück zur George-Gruntz-Big-Band. Wir sind mit dieser Band im Herbst auf USTournee. Wir werden dort, wo wir Niederlassungen haben, ein Konzert veranstalten, um unsere Kunden einladen zu können. Dieses Projekt ist ein Zwitterfall von PR-Aktion und Sponsoring. Sponsoring: Wir stellen Geld zur Verfügung, damit Gruntz die Tournee überhaupt machen kann. PR: Für unsere legitimen Bedürfnisse veranstalten wir Konzerte. Seit längerer Zeit sind wir aber auch in der klassischen Musik tätig. An der IMF in Luzern sind wir als Sponsor dabei und zur Zeit bauen wir eine klassische Serie auf: Wir schicken fünf Kammerorchester auf Wanderschaft. In einem Bankverein-Zyklus bieten wir 2,5 Konzerte in der ganzen Schweiz an.

Beim Berner Oldtime-Jazz-Festival will sich der Bankverein in Zukunft stärker eingagieren. Es war zu lesen, dass 1990 das Berner Jazz-Festival unter dem Namen «Bankverein-Jazz-Festival» durchgeführt werden soll.
Bodmer: Wir sind dieses Jahr tatsächlich stärker engagiert. Neben der Kernveranstaltung in Bern wird es in 10 anderen Städten Parallelveranstaltungen geben. Ob dieses Festival einmal «Bankverein-Festival» heissen soll, sind Prognosen, zu denen ich nichts sagen kann.

Wieviel zahlt der Bankverein fürs gesamte Berner-Festival?
Bodmer: Wenn es schaurig schlecht gehen würde, könnten es gut 300 000 Franken sein. Wir sind fürs Defizit zuständig. Aber bitte behaften Sie mich nicht auf diese Summe.

Sie werfen sich kräftig ins Popgeschäft. Der Bankverein als Popbank. Da werden neue Standards gesetzt. Wie sieht das aus?
Bodmer: Wir bauen für die Good News ein elektronisches Vorverkaufssystem auf, das am 19. Oktober dieses Jahr starten wird. Seit anderthalb Jahren verkaufen wir die Billette der Good News manuell. Nun stellen wir auf EDV um. Dieses elektronische Vorverkaufs-System machen wir aber nicht nur für die Good News. Deren Partner in der Westschweiz und den Veranstalter Quattrini Spettacoli im Tessin werden wir ebenfalls damit abdecken. Auch das Montreux-Jazzfestival wird angeschlossen sein.

Und Willisau?
Bodmer: Es ist eine Frage des Aufwands. Good News haben ein Besucherpotential von 500 000 Personen jährlich. Montreux, der kleinste dieser Veranstalter, kommt immer noch auf etwa 100 000. Da.lohnt es sich! Was hat Troxler in Willisau? Vielleicht fünf mal 1500 Zuschauer. Von der technischen Seite her wäre es machbar. Aber man muss auch den administrativen Aufwand analysieren.

Warum steigt der Bankverein ins Musikbusiness ein? Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bankdirektoren persönliche Affmitäten zu Rock-, Pop- oder Jazzmusik haben.
Bodmer: Sie erwähnen nun alle Sparten in einem Atemzug, was in unserer Optik auseinandergehalten wird. Im Rock- und Popbereich geht es nicht darum, dass unsere oberen Herren schaurig den Plausch haben an Boy George oder sonst etwas. Mit der Marktfor schung hat man festgestellt, dass sich der Freizeitbereich der Jugendlichen primär um Musik dreht. Die landläufige Meinung, dass Sport die Freizeitbeschäftigung der Jungen sei, ist nicht mehr gültig: Wenn wir nun von Marketing-Überlegungen ausgehen, dann liegt der Schritt nahe, dass wir über Musik den Kontakt zu dieser Zielgruppe suchen. Dabei zählen, wir zur Jugend nicht nur Personen bis zum 20. Altersjahr, sondern auch Junggebliebene bis zum 35. Altersjahr. Die Veranstalter von Popkonzerten können nun auf unserer EDV fahren, und als Gegenleistung haben wir die jungen Konzertbesucher in unseren Schalterhallen. Die müssen zu uns kommen. Nach der Umstellung auf EDV wird es für Rockkonzerte der Good News in der Schweiz keine anderen Vorverkaufsstellen mehr geben. Dann haben wir auch die Möglichkeit, die Leute an unseren Schaltern auf andere Dienstleistungen aufmerksam zu machen: Etwa, dass sie, wenn sie bei uns ein Konto haben, ihre Billette telefonisch bestellen können.

Beim Jazzpublikum werden Sie wohl andere Ziele verfolgen?
Bodmer: Hier sind wir der Meinung, dass wir ein exklusives Publikum erreichen können, das nicht exklusiv im Mengengeschäft interessant werden wird, sondern besonders im Anlagengeschäft. Dieses ist sowieso profitabler als das mühsame Mengengeschäft, wo Geld entgegengenommen und wieder ausbezahlt wird und dabei jede Menge von Unkosten entstehen. Wir sind der Meinung dass das Jazzpublikum etwas Besonderes ist, zwar ein wenig ausgeflippt, aber in ihrer zukünftigen Finanzkräftigkeit für uns interessant.

Ist es die Übersättigung im Bankenbusiness, die den Bankverein zwingt, über seinen Schatten zu springen und sich auf Rock, Pop und Jazz einzulassen?
Bodmer: Ich möchte von der Formulierung «über den Schatten springen» absehen. Wir müssen mit der Zeit leben. Ich weiss, die Banken haben sehr lange der Öffentlichkeit gegenüber ein sehr zurückhaltendes Gebaren gezeigt. Der Zeitgeist hat sich aber nun geändert.

Das ging aber schnell. Vertreter Ihres Lagers, wie etwa der ehemalige Zürcher Stadtpräsident Sigmund Widmer, wagten noch vor nicht allzulanger Zeit zu fragen, ob Rockmusik überhaupt Kultur sei.
Bodmer: Schauen Sie, ich kenne die Situation in Zürich. Aber das Problem ist prinzipieller Art. Der Staat ist heute finanziell gar nicht mehr in der Lage, diese Aufgaben zu übernehmen. Die USA haben uns gezeigt, dass das private Sponsoring möglich ist.

Aus guten Gründen möchte ich behaupten, dass die Kunstförderung Aufgabe der Öffentlichkeit ist und nicht die der PR-Abteilungen der Grossbanken.
Bodmer: Die Öffentlichkeit kann es nicht. Sie ist dieser Aufgabe nicht mehr gewachsen.

Weil Bankenkreise und ihre Vertreter in der Freisinnigen Partei durch Steuersenkung der oberen Einkommensschichten den Staat so klein halten, dass er für zentrale Aufgaben kein Geld hat. Sehen Sie in der Privatisierung der Kulturförderung das Heil für die Kultur?
Bodmer: Natürlich birgt es Gefahren. Aber die Programme, die ich Ihnen jetzt vorgelegt habe, haben doch mit politischen Überlegungen nichts zu tun. Wir sind uns natürlich bewusst, dass ein puristisches Jazzpublikum eher auf der anderen Seite angesiedelt ist als die FdP. Aber unser Sponsoring-Programm ist fern von jeder parteipolitischen Ideologie.

Sie nehmen Einfluss und betreiben Politik durch Ihre Geldverteilung.
Bodmer: Das ist die freie Marktwirtschaft. Es kann uns niemand vorschreiben, was wir unterstützen sollen.

Wer fällt in Ihrer Bank die Entscheide?
Bodmer: Die Detailrichtlinien für Kultur arbeiten wir in der PR-Abteilung aus. Das wird dann nach oben zur Kenntnis gegeben. Wenn etwas anstössig ist, kann man es herausnehmen.

Welche Bedingungen knüpfen Sie an die Zusammenarbeit etwa mit Good News?
Bodmer: In Bezug auf die Profilierungsmöglichkeiten stellen wir Bedingungen. Wir wollen prominent auf Programmen und Plakaten in Erscheinung treten. Etwa das Beispiel Willisau: Wir waren mit unserem Signet auf Plakat und Programmheft erwähnt, und wir machten den Vorverkauf. Die Migros hatte dann das Gefühl, dass wir zu prominent in Erscheinung getreten sind. Aber man muss klar sehen: Die Migros stellte zwischen 5% und 15% unserer Summe zur Verfügung. Wir, das ist ja kein Geheimnis, zahlten 50 000 Franken. Ich meine, der Gegenwert, den wir forderten, war nicht überrissen.

Nehmen Sie Einfluss auf das Programm?
Bodmer: Diese Frage kann ich kategorisch mit Nein beantworten, und darum habe ich auch Werner Uehlinger zu diesem Gespräch mitgenommen.

Uehlinger: Ich habe weder schriftlich noch mündlich irgendwelche Konzessionen eingehen müssen.

Vor noch nicht allzulanger Zeit sagten Sie in einem Interview, Herr Uehlinger, dass Sie keinen artfremden Sponsoren dulden würden: Das schaffe Abhängigkeiten. Sind Sie eine Zwangsehe eingegangen?
Uehlinger: Nein. Damals, als dieses Interview geführt wurde, standen die Sponsorentätigkeiten noch am Anfang. Wir wussten noch nicht genau, wohin dies alles führt.

In welcher Grössenordnung wird Hat Hut gesponsert?
Bodmer: Ich glaube, wir müssen dies hier nicht beziffern.

Uehlinger: Es hilft mir, mein Label weiterzuführen. Die Platte mit Peter Schärli, hätte ich zum Beispiel vergessen können. Dazu kommt: Durch die Plattenproduktionen, die nun gesichert sind, werden neben den Musikern auch Designer, Typografen, Drucker, Plattenpressung, Vertrieb etc. beschäftigt. Es löst in verschiedenen Bereichen Aktivitäten aus. Und das kommt alles dem Platze Schweiz zugute.

Alles in Abhängigkeit vom Bankverein.
Bodmer: Fern von jeder ideologischen Polemik haben wir nun mal eine freie Marktwirtschaft. Es ist selbstverständlich, dass wir unsere eigenen Entscheide fällen. Wir fällen sie nicht für die Steuerzahler und auch nicht für unsere Konkurrenz.

Die vom Bankverein gesponserte US-Tournee von George Gruntz soll mit einer Plattenaufnahme im Jazzclub Sweet Bazil gipfeln. Die Platte wird bei Hat Hut erscheinen, Seit wann steht Uehlinger auf die Musik von Gruntz?
Uehlinger: Ich machte seinerzeit keine Platte von Gruntz, weil ich das Vienna Art Orchestra produzierte. Für ein Label meiner Grösse war es nicht möglich, zwei Orchester zu produzieren. Für mich ist es eine natürliche Entwicklung, dass ich Gruntz produziere. Und zudem ist mein Label für Überraschungen bekannt.

Allerdings.
Bodmer: Diese Zusammenarbeit liesse sich selbstverständlich nicht per Dekret durchsetzen. Aber es ist nicht von der Hand zu weisen, dass eine Verbindung zwischen Hat Hut, Bankverein und Gruntz da ist. Man kann ja miteinander reden. Hätte Uehlinger nein gesagt, dann sagt er eben nein.

Der Bankverein ist nun auf den Plattencovers von Hat Hut präsent, Hat der Bankverein überhaupt keine Skrupel, Künstler als Werbeträger zu missbrauchen?
Bodmer: Im marketingmässigen Verständnis von Sponsoring sind Sportler Werbeträger. Wir unterstützen etwa eine Ski-Nationalmannschaft und pressen diese in einer Werbekampagne aus wie eine Zitrone: Bankverein, Bankverein, Bankverein ... Im kulturellen Ast unserer PR-Tätigkeit schlachten wir unsere Objekte werberisch kaum aus. Ich kann nicht eine Plattenaufnahme von Cecil Taylor werberisch in der NZZ auf einer Zeitungsseite begleiten. Das wäre kontraproduktiv.

Aber man kann nicht sagen, dass Ihr Signet auf den Platten von Hat Hut zu übersehen wäre.
Uehlinger: Es wurde in einer Form angebracht, dass es meinem ästhetischen Geschmack entspricht und die moralischen Verpflichtungen, die ich dem Geldgeber gegenüber habe, erfüllt.

Diskretion als Werbequalität des Bankvereins?
Bodmer: Der Bankverein hat ein dezenteres Auftreten als die beiden anderen Grossbanken. Wir schätzen marktschreierische Tendenzen nicht.

Bedeutet es für Sie keinen Widerspruch, wenn auf dem Umschlag der Platte von Peter Schärli, dessen Musik eine ausgesprochen kritische Komponente hat, das Bankensignet brilliert?
Bodmer: Es zeichnet die Stärke unserer Bank aus, dass wir auch solche Kritik dulden können. Es wäre doch absolut lächerlich und kontraproduktiv, wenn wir da einschreiten würden. Auch wenn im Programm des Willisauer Festivals eine Gruppe spielen sollte, die im Bankenverständnis politisch anrüchig ist, würden wir nichts sagen.

Andere Zürcher Grossbanken sind noch nicht so business-clever.
Bodmer: Wir sind eine Basler Bank.

Aber trotzdem haben Sie es nötig, Ihr Image mit Kunst aufzupolieren. Kunst wäscht reiner als Kopfmützen.
Bodmer: Ich finde den Ausdruck «reinwaschen» deplaziert. Wir handeln nicht aus Schuldgefühlen heraus. Wir wollen uns durch eine spezielle Imagekomponente profilieren und uns damit von anderen Grossbanken absetzen. Es ist etwas anderes, wenn eine andere Grossbank Probleme hat mit den Contras oder wenn sie nach Chiasso ihre Mützen herausgibt. Dort hat es eine reaktionäre Komponente.

Jetzt spielen Sie sich aber schön auf. Der Bankverein als integres Geldinstitut?
Bodmer: Wir haben sicher verschiedene dunkle Stellen in unserer Bank oder etwas Dreck am Stecken. Das hat jede Bank. Aber unser Sponsoring hat nichts damit zu tun. Ich weiss nicht, wie wir reagieren würden, wenn wir ein Chiasso hätten. Das ist eine Frage, die hypothetisch im Raume steht.

Gibt es noch etwas beizufügen?
Bodmer: Für Ihr Lesepublikum finde ich noch wichtig: Der Bankverein hat sich seit zwei Jahren der Ökologie verschrieben. Wir unterstützen verschiedene Objekte im ökologischen Sektor. So waren wir etwa an der Tour de Sol beteiligt und werden dieses Jahr mit zwei Mobiles fahren. Da möchte ich schon meinen, dass der Bankverein unter den Grossbanken die einzige Bank ist, die sich mit der Öffentlichkeit auf allen Ebenen verbunden sieht.