Aus WOZ Nr. 23/1983:: Sehnsucht nach einer ganz anderen Welt

Nr. 23 –

Rosa von Praunheim, umstrittener und provozierender Filmer aus Deutschland, bekannt geworden vor allem als «Papst der Schwulen». Seit 15 Jahren ist er nun im Geschäft und verbuchte vor allem mit seinen beiden letzten Filmen «Rote Liebe» und «Unsere Leichen leben noch» bei Kritik und KinobesucherInnen Erfolge. Rosa von Praunheims neuer Film «Stadt der verlorenen Seelen» läuft am Freitag in Zürich an. «Kommt zu uns in die Stadt der verlorenen Seelen», heisst es auf dem Film-Prospekt. Im folgenden Gespräch erzählt Rosa von Praunheim von seinem neuen Film, den Schwulen und seiner Todessehnsucht.

WoZ: Zum neusten Film «Stadt der verlorenen Seelen»: der Titel und das Plakat - «schamlose Stadt», «die Playback-Tunten mit kaputten Träumen» - machen einen sehr kommerziellen Eindruck. Da steht so ein bürgerlicher Mythos dahinter.

Rosa von Praunheim: Der Film ist ja ganz das Gegenteil von diesem Titel, ist eher ein schriller Film. Vielleicht «Burgerqueen-Blues» oder so, würde dem eher gerecht, so ne Parodie auf diese Bürgergeschichten. Jemand hat auch gemeint, dass da Berlin dargestellt wird, in so ner Exotik, wie sich ein Kleinbürger Berlin vorstellt. Und damit spielen wir auch, das wird ein bisschen parodiert, der ganze Film ist sehr spielerisch.

Dieses Parodistische ist nicht mehr greifbar.

Findest du nicht, dass die Jane sehr komödiantisch in dem Film ist, sehr witzig rüber kommt?

Doch, aber die Grenzen sind fliessend zwischen dem, was nun Parodie sein soll, und dem, was ich als ursprüngliche Vitalität annehmen soll.

Die einzige Message, die in dem Film drin steckt, ist die Vitalität. Im Gegensatz zur deutschen Kultur, die sich gerne sehr tragisch, sehr negativ gibt. Ich finde, dass diese Amis die Kulturszene in Berlin sehr bereichern, mit ihrer Phantasie, Vitalität, Lebensfreude. Trotz der widrigen Umstände. Es ist schwierig, in einer solchen Stadt zu überleben. Ob das nun New York oder Berlin ist. Jane, wie viele andere, hat sich sehr bemüht, einen Plattenvertrag zu kriegen und dann irgendwie Erfolg zu haben. Das hat nicht geklappt. Und was sie angezogen hat, das war die Frische der Stadt, dass da einfach viele interessante Leute waren und sicher auch viele, die sich für sie interessiert haben. Aber irgendwo war’s ne sehr desolate Situation. Diese desolate Situation zeigen die nun nicht in ihren Produkten wieder, sondern sie versuchen mit ner ungeheuren Stärke etwas zu machen. Also nicht selbstmitleidig als Transi aufzutreten, immer die Schwierigkeiten zu zeigen, wie’s Fassbinder zum Beispiel im «Jahr mit dreizehn Monden gezeigt» hat. Das ist praktisch die Haupt-Message, mit solchen Leuten zu leben oder von solchen Leuten ein bisschen Mut abzukriegen.

Exotik ist zum Stichwort deiner drei letzten Filme geworden, oder Skurrilität. In «Rote Liebe», bei Goetze, hatte sie einen Hintergrund. Die typische Hausfrauen-Karriere der Goetze wurde aufgezeigt, war eingebunden in die Geschichte der Alexandra Kollontai. Dann beim zweiten, bei «Unsere Leichen leben noch», war zum Teil die Message weg: Hast du den Anspruch, zu provozieren, im neuen Film aufgegeben ?

Der «Leichen»-Film hat sicher mehr provoziert als «Stadt der verlorenen Seelen». Bei den «Leichen» war's so, da gab's die Reaktion: das ist übertrieben, solche Frauen kenne ich nicht oder will ich nicht kennen. Das hat viel mit der eigenen Weltsicht, wie Normalität, Exotik oder Aussergewöhnlichkeit gesehen wird, zu tun. So was Skurriles und Aussergewöhnliches geht vielen schnell auf die Nerven, weil sie's als unrealistisch abtun. Das hat damit zu tun, dass wir Realität nicht unvoreingenommen sehen, sondern in einer Perspektive, die gefiltert ist durch Medien, Filme, Kunst, Erziehung. In dem Moment, wo man jetzt übertreibt, scheinbar übertreibt, nimmt der Zuschauer das nicht an. Deshalb wird für mich jeder in der Kunst wichtig, der aus einer gewissen Perspektive zeigt, dass es ausser dieser angepassten, durchschnittlichen Perspektive etwas zu sehen, auch noch andere gibt. Frauen werden meistens als sehr schöne, ebenmässige, geschminkte Gestalten gezeigt. Also kaum ein Film, wie zum Beispiel «Im Jahr der Schlange» von der Heide Breitel, wo fünf Frauen so um die vierzig gezeigt werden, die ungeheuer lebendige Gesichter haben. Das hat einen Aufstand im Fernsehen gemacht, weil die Leute sagen, «diese hässlichen Weiber», «lesbischen Tiere». Auch Fassbinder hat immer seinen Traum von Bürgerlichkeit und Normalität gezeigt. Während er ja ein perverser Typ war, der eine ungeheure Lust an Perversionen hatte. Er kam aus diesen Schuldgefühlen raus und deshalb hatte er diese Sehnsucht nach dem Reinen, Bürgerlichen, Unauffälligen in den Gesichtern; Das ist bei mir umgekehrt: ich wirke sehr, sehr angepasst und ruhig, habe jedoch Sehnsucht nach einer ganz andern Welt, einer exotischen, sehr lauten und schrillen Welt.

Ermöglichst du mit dieser übersteigerten Darstellung von Randgruppen nicht gerade den sogenannt normalen Menschen ein leichtes Wegschieben dieser Exoten?

Nein, nein, das ist ne diplomatische Überlegung, die ich nicht akzeptiere. Also wenn man sich praktisch ausdenkt, wie verkaufe ich meine Figuren, dann ist mir das schon parteipolitisch gedacht. Und das finde ich sehr gefährlich. Ich glaube, dass man nur wirklich überzeugen kann, indem man an die Wurzel geht, die Dinge sehr ehrlich aufzeigt. Das war ja auch der grosse Erfolg meines ersten Schwulenfilms, weil's nicht diplomatisch, sondern unverschämt, frech und aggressiv war. Und deswegen ist auch die sexuelle Befreiung, Liberalisierung so unheimlich schief gegangen, weil es so modisch diplomatisch vermarktet wurde, weil es die Leute nicht wirklich verändert hat, sondern von aussen was aufgefrachtet wurde. Das gibt für mich so falsche Mischungen.

Für dich ist «Ein Jahr mit 13 Monden» von Fassbinder auch eine solche Mischung?

Ja, es ist so ne negative Weltsicht, ein selbstmitleidiges Verhalten. Einfach zu sagen «Alles ist am Arsch» und «es hat überhaupt keinen Zweck zu leben und alles ist furchtbar». Diese Lust am Leiden, das ist ja auch was typisch Deutsches, Romantisches. Ich wünsche mir einfach in vielen Situationen doch ein Stückchen Utopie, von lustvoller Utopie.

Die Personen in «Stadt der verlorenen Seelen» stehen für sexuelle Befreiung. Aber es geht um Personen, die genau am stärksten im Verkauf ihrer Sexualität drin sind.

Du meinst jetzt also Transvestiten, die im Geschäft drin sind, auftreten.

Genau, zwischen dem Vermarkten-Müssen und dem Aspekt der sexuellen Befreiung.

Du steckst zuviel rein. Die Motivation zu dem Film war nur die, Leute, Künstler, vitale Leute mit viel Phantasie zu treffen und mit denen das zu erarbeiten. Sie kommen aus verschiedenen Richtungen. Es sind Schwarze, Transis, Schwule, Jüdinnen, praktisch Amerikaner, die sich aus Minderheiten zusammensetzen. Es ist kein Film über Transis. Ich hab aber viel gelernt über Transvestiten. Es gibt Transis, die nicht schwul sind, es gibt Transis, die lesbisch sind, es gibt Transis, die auf ihren Schwanz stolz sind, und andere, die sich schämen, dass sie nen Schwanz haben. Das heisst, alle Möglichkeiten, die man sich vorstellen kann, werden da ausgelebt.

Und trotzdem sind es Transis, die im Show-Geschäft sind ...

Ja, und zum Teil ausgenützt werden, über zwei Jahre die selben Lieder singen, jeden Abend die selben Witze machen müssen. Es sind unheimlich verschiedene Bereiche, die der Film anspricht. Und trotzdem nur so oberflächlich anspricht und ganz bewusst auch oberflächlich laut und schrill behandelt.

Sind deine neuen Filme nicht entpolitisierter im Vergleich zu früheren, wo du dich etwa für die Schwulenbewegung eingesetzt hast?

Find ich nicht, nee. Ich glaub, dass «Unsere Leichen leben noch» ein hochpolitischer Film ist. Es ist ein sehr radikaler Film übers Alter. «Die Stadt der verlorenen Seelen» hat Musical-Charakter, und dass der vordergründig nicht so ne direkte Message hat, das seh ich nicht als was Negatives. Mich hat ja nicht interessiert, nur ästhetisch zu arbeiten, sondern die Hauptdarsteller haben eine sehr starke Aussage als Person, so wie sie sind. Und sie sind ja sehr verschieden.

Die politischen Bezüge kamen mir aufgesetzt vor. Ob das nun die DDR war oder die Szene mit dem Bundestagsabgeordneten, die waren sehr überspitzt und überdreht.

Ja, sicher, die sind nicht gemacht, um jetzt politisch ernsthaft zu wirken. Du stürzt dich jetzt auf emanzipatorische oder inhaltliche Sachen und gehst weniger von den Personen aus. Für mich ist der Film von Personen geprägt und von Persönlichkeiten, so wie alle meine Filme.

Das kommt wirklich gut durch. Es macht Spass, man wird reingenommen, man spürt diese Vitalität, aber trotzdem ...

Ich bin irgendwie stolz darauf, dass mein Talent darin liegt, solche Leute aufzuspüren. Eine Schicht von Realität zu haben, die andere nicht haben, andere übersehen oder sie als unangenehm empfinden, verdrängen. Aber es ist eine andere Methode, ob man das im Brecht'schen Sinne, distanziert verfremdet und sehr kühl, genau und abgezirkelt darstellt. So wie auch in den amerikanischen Filmen, etwa «King of Comedy» und «Tootsie» oder so - das sind für mich ganz ekelhafte Filme, so lebensverachtend und lebensverneinend, die mit einer ungeheuren Präzision und Künstlichkeit Realität herstellen wollen und die sie nie erreichen. Ich akzeptiere solche eiskalten Schauspieler nicht, die Jahre brauchen, um eine Geste einzustudieren, und wo du dann ins Kino gehst und nachher schreibst, mit welcher Präzision da Realität hergestellt wird. Das find ich ne Unverschämtheit, weil es so viele lebendige Leute gibt. Und warum soll man nicht aus dem Vollen schöpfen?

Könnte man bei dir Kitsch mit Vitalität oder «verkommener» Vitalität gleichsetzen. Du setzt den Kitsch ganz bewusst als ästhetisches Mittel ein, wehrst dich jedoch gegen Ästhetik.

Ästhetik ist bis jetzt alles. Aber du meinst gegen so ne genormte Ästhetik, wie wir sie modisch, in Anführungsstrichen als Qualität empfinden. Als Qualität gilt in so ner deutschen Erziehung ja immer noch, was unauffällig ist, was mehr empfindlich und zurückhaltend gesetzt ist.

Kitsch ist sicher auch ne Sache der Parodie. So ist sie ja auch im Underground-Film und im Off-off-Broadway-Theater. Parodie auf Transvestiten, die sich sehr laut schminken, sich verrückt und auffällig geben, eine Parodie auf die reaktionäre Weiblichkeit, auf Frauen, die sich so ungeheuer reaktionär verkaufen.

Du wehrst dich, wenn dieser Film als professionell bezeichnet wird.

Ja, er ist professioneller als die andern -

Da wehrst du dich dagegen.

Sicher, ich glaube, für viele ist er immer noch sehr unprofessionell, auch dramaturgisch und von vielen Momenten her ungeschickt. Er ist einfach nicht mit dem zu vergleichen, was Kino nach bestimmten Normen zu sein hat. Aber im Vergleich zu meinen andern Sachen ist er geschickter gemacht.

Du beharrst - nach dem zwanzigsten, dreissigsten Film - auf dem Unprofessionellen, Naiven. Das ist ja auch wieder eine Art von Professionalität. Gewollte Anti-Ästhetik, Kitschästhetik?

Ja, ja, aber ich meine, es kommt immer dasselbe drauf raus, wie du argumentierst. Du sagst, gut, es gibt die Norm, und in dem Moment, wo sich das Abnorme wiederholt, dann wird es uninteressant. Anstatt ...

Ich sage nicht uninteressant ...

Anstatt zu sagen, dass das Abnorme oder das Ungewöhnliche genauso seinen Platz hat, genauso differenziert beobachtet werden muss wie das andere. Für mich ist es ein Lebenskampf gegen diese Tristesse. Sicher hätten viele mehr Befriedigung, wenn das so ein Drama von so armen Transis wäre, die scheitern und sich dann aufhängen. Aber das hat mich nicht interessiert.



AIDS VERÄNDERT DIE SCHWULENBEWEGUNG

WoZ: Von schwuler Seite stellt man die Frage, ob sich der «Papst der Schwulen» jetzt arrangiert und zurückgezogen hat.

Rosa von Praunheim: Zwischen 68 und heut ist halt viel passiert, man kann nicht in einer permanenten Revolution leben. Mich interessiert immer noch, was sich bei Schwulen tut, wie sie leben. Und besonders durch den Film in Amerika «Armee der Liebenden» - Amerika ist halt ein Land, das die Extreme viel mehr aufzeigt - habe ich gesehen, wie gross die Problematik ist.

Momentan passiert Interessantes in der Schwulenbewegung, durch die neuen Schwulenkrankheiten und durch AIDS, den Schwulenkrebs. Es findet eine ganz grosse Veränderung in der Schwulenbewegung, der Schwulenpolitik statt. Denn diese kommerzialisierte Promiskuität, die Körper und Seele trennt, ist eine grosse Schwierigkeit. Dieses Nachholbedürfnis, wo du durch die Schwulenunterdrückung gezwungen warst, schnell Sex zu haben, heimlich Sex zu haben. Oder das Interesse der Schwulen an Schmutz, durch die Sauberkeitserziehung, das Cleane. Die Schwulen haben plötzlich ne Subkultur geschaffen, wo sie viel mit Dreck umgegangen sind, lustvoll mit Dreck umgegangen sind. Das ist erst mal ne sehr positive Sache.

Und kehrt sich das jetzt um?

Ja, durch die Schwulenkrankheiten. Also, was lernt man draus? Da ist plötzlich so ne Seuche, wo tausende von Schwulen krank werden, so krank werden, dass sie in ziemlich kurzer Zeit sterben. Das kann man nicht verdrängen und man muss sich überlegen, wie man sich zueinander als Gruppe verhält. Also, dass auf der einen Seite so ne Solidarität passieren sollte, dass man sich als Gruppe auch Wärme und Schutz gibt, und auf der andern Seite drüber nachdenkt, was der Körper für einen bedeutet. Dass Sexualität meiner Meinung nach nicht so rein mechanisch funktioniert, sondern dass da unheimlich viel Kopf passiert dabei. Das war ja auch die ganz wichtige Frage, die ich im ersten Schwulenfilm aufgeworfen habe. Leider ist das total ignoriert worden, weil die Sexualität so kommerzialisiert wurde, dass nur noch oberflächliche Formen entstanden sind. Da hat man auf der einen Seite so nen Kopf gehabt, Politik, und auf der andern den Körper, und das war total getrennt. Ich glaub, dass man sich jetzt wirklich ernsthaft Gedanken darüber machen muss, wie das zusammengehört. Ne sexuelle Beziehung ist was Inhaltliches, es ist ein sensibler und seelischer Akt. Und weil Krankheiten mit Psyche viel zu tun haben, muss man sich fragen, inwieweit die Schwulen mit ihrer Psyche nicht fertig werden. Das ist auf der einen Seite ne Chance, ich mein, dass da was Positives passiert. Die Gefahr ist dann wieder, dass die Gesellschaft reaktionär reagiert. Aber die Hoffnung ist, dass die Gruppe stark ist, dass sie sich nicht mehr alles gefallen lässt.

Wie weit sollen die Schwulen versuchen, sich einen eigenen Bereich aufzubauen und sich gegen Integration wehren?

Ja, Integration ist was sehr Falsches, dagegen habe ich mich immer ausgesprochen. Du kannst dich nicht in ne beschissene Gesellschaft integrieren, du kannst nur versuchen, die Gesellschaft zu verändern.

Und für mich ist es ein Anarchismusmodell, was mir vorschwebt. Ne antiautoritäre und sicher auch syndikalistische Gesellschaft, wo du in kleineren, autonomen Gruppen zusammenlebst. Gut, das ist halt so ein Modell, das ... und trotzdem finde ich es gerade für einen Künstler wichtig, davon zu träumen und immer wieder davon zu sprechen. So wie Politiker uns immer vormachen, dass es nur um Vernunft und politische Realität geht, besteht die Verpflichtung darin, verrückt und utopisch zu sein.



UNGEHEURE TODESSEHNSUCHT

WoZ: 1973 sprachst du von der beschissenen Kultursituation in Deutschland. Spielst du nicht mehr mit dem Gedanken wie damals, in New York bei der Müllabfuhr anzufangen, statt hier in den elitären Möglichkeiten zu ersticken?

Rosa von Praunheim: Ich glaube, dass sich das von selber entscheiden wird. In ein paar Jahren wird ein solcher Entscheid durch die politische Situation von selber abgenommen. Für mich ist es jetzt leicht, die nächsten Projekte zu realisieren. Doch das wird ziemlich schnell aufhören. Also insofern brauch ich mir jetzt keine Gedanken zu machen, mich dem Kulturbetrieb bewusst zu verweigern.

Es sind immer so Phasen, die man durchläuft. Ich war stolz darauf, zu wissen, dass das Filmemachen nicht mein Beruf ist. Und plötzlich stellt man dann fest, dass es der Beruf geworden ist, dass es sehr einschneidend wäre, wenn diese Arbeitsmöglichkeit genommen würde. Es wird plötzlich sehr ernsthaft. Aber das ist auch eine Sache des Älterwerdens. Das sind ganz existentielle Sachen, auf Leben und Tod. Das sind Krisen, die man durchmacht. Bei mir ist das ne ungeheure Todessehnsucht. Die Produkte, die Filme, sind dann nur noch ein Teil. Was wirklich wichtig ist, ist eben was anderes.

Auf der einen Seite sprichst du von deiner Todessehnsucht und auf der andern ist der Hauptinhalt deines Filmes Vitalität?

Ich glaube, dass sich solche Sachen bedingen. Grade so ne Todessehnsucht und so ne Lust am Leiden. Deshalb finde ich es so wichtig, diese Vitalität zu betonen.

Du kreist ja immer wieder um diese Dialektik von krank-komisch, ausgestossen-integriert, Todessehnsucht-Vitalität. Wohin führt sie?

Das ist eine ganz existentielle Sache. Also da, wo praktisch das Groteske nicht nur ein Treppenwitz ist, sondern wo's was Entscheidendes ist, wo's ganz andere Menschen sind. Wo die Goetze zum Beispiel für viele einen ganz einschneidenden Einschnitt bedeutet. Und nicht nur die Frau ist, über die man sich totlachen kann. Das ist das Verunsichernde, wo man selber in Frage gestellt wird und nicht nur unterhalten wird. Es ist interessant, Komödien zu machen. Der Humor, den ich habe, ist existentieller, als nur Gags zu erfinden, die einen befreien.

Bewirkt deine Todessehnsucht eine bestimmte Resignation?

Sie ist sicher gepaart mit einer ganz allgemeinen Existenzangst. Ich glaub, das ist ein Problem, wenn du in einer Situation lebst, wo jede Sache deine letzte sein kann. Das ist sicher ein ganz anderes Leben unter dieser Bedrohung. Ich stell mir vor, dass ich nur noch ein paar Filme machen kann, und ich kann mir schwer vorstellen, dass ich das Jahr 2000 fröhlich erlebe. Ich stelle mir vor, dass weltpolitisch sicher was Entscheidendes passiert. Und auch konkret die Situation in Deutschland mit Kulturförderung, mit dem, was du kritisch und künstlerisch an Freiheiten noch hast: das ist alles begrenzt jetzt. So wie auf der einen Seite eine ungeheure Sehnsucht nach Kriegen und Beunruhigung da ist, um einen aufzurütteln. Und auf der andern ne Panik, Angst und Weltuntergangsstimmung. Ich hab in letzter Zeit ungeheure Todesängste gehabt, die sehr lustvoll sein können, aber einen dann sehr einschneiden, begrenzen. Ich werd auch immer introvertierter, lebe in einer Eremitensituation, ich bin nicht mehr rausgegangen. Sicher, dass ich nach New York gegangen bin, entsprang dem Wunsch, sämtliche Situationen mitzuerleben, die es gibt. Und jetzt hab ich den Wunsch, die Sensation in mir zu veranstalten.