WOZ 10/87 (6. März 1987): Profil und Akzeptanz erkaufen

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Sind es in anderen Ländern Tabakfirmen oder Unterhaltungselektronikkonzerne wie «Sony» oder «Japan Victory», die sich die grossen Festivals von New Newport, Den Haag bis Nizza unter ihre Fittiche gerissen haben, ködern in der Schweiz nun die Banken mit ihrem sogenannten Sponsoring die Gunst der Öffentlichkeit. Im zunehmend härteren Konkurrenzkampf auf dem Finanzplatz Schweiz treiben die einzelnen Banken einen immensen Aufwand, um sich gegenseitig abzugrenzen und ein eigenes Profil zu erkaufen. Der Bankverein hat als erste Grossbank der Schweiz die Öffentlichkeitsmacht der Pop- und Jazzmusik erkannt. Gut eine halbe Million Popfans werden nun jährlich über das elektronische Vorverkaufssystem ihre Konzerttickets nur noch in den Schalterhallen des Bankvereins kaufen können.

Von Willisau über Bern bis Montreux packt der Bankverein zu: Es ist ihm ein leichtes, mit Geld Festivals, KünstlerInnen, Agenturen und Plattenfirmen zu kaufen. Andere Banken ziehen nach. Die SKA pflastert zur Zeit die Schweiz voll mit Plakaten, worauf ein Saxofon für das Geldinstitut PR bläst. Die SBG ihrerseits mischelt beim Zürcher Jazz-Festival und beim Bazillus mit. Für ihre Jubiläumsfestivitäten vom 19. März hat sie den Zürcher Schickeria-Papst Dieter Meier («Yello») unter Vertrag genommen. Und die Solothurner Kantonalbank «schenkte» letzten Sommer, wie in der LNN zu lesen war, «der Jugend von Zuchwil ein zweitägiges Rock-Festival». Die Banken gebärden sich, als würden Fans von Mick Jagger in den Chef-Etagen sitzen: es rockt, popt und jazzt.

Musik als Sprache ohne Begriffe scheint sich heute als internationales Werbeschild besonders gut zu eignen, zumal Popmusik einen immensen Verbreitungsgrad und eine hohe Berieselungsdichte erreicht hat. Musiker, Veranstalter und Produzenten von George Gruntz über Dieter Meier bis Peter Schärli von Werner Uehlinger bis Niklaus Troxler sind unbedarft genug, sich als Werbeträger der Finanzimperien missbrauchen zu lassen. Sie lassen die Banken sich im Glanze ihres Ansehens spiegeln. Auch wenn es pathetisch klingt: Kunst symbolisiert seit eh moralische Integrität und, wie der Kunstsoziologe Pierre Bourdieu schreibt: «Die Gegenstände, Personen und Situationen, welche die kulturelle Weihe erhalten, erfahren eine an Transsubstantiation (Verwandlung) gemahnende ontologische Erhöhung.» So schaffen sich die Banken mittels ihres «Kommunikators Musik» Akzeptanz gerade bei jungen Leuten, die dem Geldgebaren der Finanzmächte skeptisch gegenüberstehen: den Geschäften der Schweizer Banken mit Waffenlieferungen an den Iran, der Finanzierung der Contras von Nicaragua, den Fluchtgeldern der Diktatoren, Marcos und Duvalier etc.

Im Dienste der Banken verkünden die Musiker die frohe Botschaft der privatwirtschaftlichen Geldinstitute: «Freie Marktwirtschaft» lautet das Credo, wie Markus Bodmer, der PR-Mann des Bankvereins - ein einstiger 68er, eifriger Leser von Focus und Leserzeitung -, im Interview zweimal betont. Im Europa der Wende wird privatisiert, was sich privatisieren lässt, auch die Kultur. Kunstfinanzierung und Kunstförderung sind auf dem Wege, die Angelegenheit finanzkräftiger Privatunternehmen zu werden. Wie die anderen Geschäfte der Banken wird auch Kunst jeder öffentlichen Diskussion und demokratischen Kontrolle entzogen. Bodmer sagt es deutlich: «Es kann uns niemand vorschreiben, was wir unterstützen sollen.» Dass diese Bankenentscheide etwa zum «Wohle der Kunst» gefällt werden oder im «Dienste der Öffentlichkeit» stehen, wird wohl niemand glauben. Die Arbeit des Künstlers/der Künstlerin dient, indem sie den Banken fehlende Legitimität verschaffen hilft, letztlich genauso der Profitmaximierung des Finanzimperiums wie die Arbeit des/der SchalterbeamtIn.